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Oh Dio Gott in der Oper30. Jänner 2018 in Kultur, 5 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Tatsächlich ist Oper voller Gebet. Ein berührendes Beispiel dafür ist Verdis Otello - Die neue kath.net-Kulturkolumne DIO von Anna Diouf
Linz (kath.net/ad) Kult und Kultur: Fast zwei Jahrtausende lang hat der christliche Kult Kultur ermöglicht, befördert, gefordert und herausgefordert. Vom Weinbau bis zu architektonischen Meisterleistungen, immer waren Kult und Kultur eng miteinander verbunden. Wo Kultur für den Kult betrieben wurde, da wurden Investitionen getätigt, und so ist ein überwältigender Teil der tradierten Kunst, die man im sakralen Raum erleben kann, zugleich Hochkultur. Davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Allerdings haben sich nicht nur die Kulturschaffenden von der Kirche gelöst, auch die Gläubigen sind oftmals kaum Rezipienten dessen, was als Kultur gilt und beeinflussen den Diskurs dementsprechend wenig. Wer als praktizierender Katholik am Theater arbeitet, erntet nicht selten von allen Seiten erstaunte Blicke. Am Theater wird Religion oft nur als Objekt für Dekonstruktion, Protest, Provokation oder für Spott betrachtet. Entsprechend groß ist auf der anderen Seite das Misstrauen, genährt durch Inszenierungen, die danach streben, das Gute, Wahre und Schöne um jeden Preis zu negieren. Dazu kommt, dass Oper stets auch den Ruf hatte, Unmoral zu befördern. Dennoch haben viele Opern eine geistliche Dimension. Das liegt nicht nur an der eher abstrakten Tatsache, dass Musik an sich in ihrer Struktur der Transzendenz besonders nahe kommt und daher seit jeher zur Kontaktaufnahme mit dem Göttlichen genutzt wurde. Es liegt auch daran, dass sich Künstler mit dem beschäftigen, was sie bewegt: Die Fragen nach unserem Woher und Wohin sind eben drängend und stellen sich dem Komponisten genauso wie dem bildenen Künstler. Unter den Opernkomponisten des Barock finden wir sogar Priester; und Puccini, dessen eigene Schwester Nonne war, liebte unter den Opern seines Tryptichons besonders Suor Angelica (Schwester Angelica), eine Oper, die in einem Frauenkloster spielt. Obwohl die tragische Hauptfigur aus gesellschaftlichem Zwang in die Klausur verbannt wurde, ergeht sich diese Oper nicht in Polemik, sondern illustriert die Härten und Freuden des Klosterlebens liebevoll und freundlich, wenn auch die pointierte Kritik etwa an der Unfreiwilligkeit der Entscheidung für das Kloster klar geäußert wird.
Als Versuch, das antike Drama wiederzubeleben, zeichnet sie die Gattung Oper nicht gerade durch religiöse Wurzeln aus, sondern ist Erbe der Renaissance. Dennoch ist der Kirche das theatrale Element keineswegs fremd. Mysterien- und Passionsspiele haben bereits Jahrhunderte vor Entstehung der Oper christliche Inhalte ausgeschmückt. Die europäische Oper ist überhaupt nur vor dem Hintergrund des katholischen Christentums denkbar, da schon die reformierten Konfessionen aufgrund des Bilderverbots ursprünglich auch jeglicher theatralen Darstellung feindlich gegenüberstanden und diese zeitweise auch verboten. Es ist erstaunlich, dass angesichts der Fülle an geistlichen Themen und Motiven die Auseinandersetzung mit Religion heutzutage selten über von Unkenntnis geprägten Krawall hinausgeht, der im schlimmsten Fall infantile Züge annimmt. Das Gleichgewicht zwischen Kritik und Wertschätzung wird zusätzlich zerstört, indem Opern, die die politische Dimension von Religion kritisieren oder ein religiöses Thema verfremdend aufgreifen, gewöhnlich im Sinne des Erfinders‟ rezipiert werden, fromme‟ Werke dagegen werden häufig in ihren Aussagen nicht ernstgenommen oder nicht beachtet was oft eher dem eklatanten Mangel an Wissen über Religion entspringt als echter Ablehnung. Kritik richtet sich dann naturgemäß nicht gegen die wahre Religion oder den lebendigen Gott, sondern gegen sinnfällige Gotteskonstruktionen, die mehr über die Kritiker als über Religion selbst aussagen. Umso trauriger, wenn Christen dieser Selbstbeweihräucherung "auf den Leim" gehen und sich selbst der spirituellen Dimension von Oper nicht bewusst sind. Diese Dimension geht weit über die vielleicht meistgesungene Floskel Oh, Dio!‟ (O Gott) hinaus! Tatsächlich ist Oper voller Gebet. Ein berührendes Beispiel dafür ist Verdis Otello, in dem Verdi Desdemona kurz vor ihrem Lied von der Weide‟ ein Avemaria beten lässt, das es ja in der literarischen Vorlage nicht gibt. In Donizettis Werk Maria Stuarda wird die Beichtszene‟, in der Maria Stuart im Gefängnis ihrem Priester ihre Verfehlungen gesteht und sich mit Gott versöhnen lässt, zum Höhepunkt der Oper, wonach sie in Seelenruhe als Märtyrerin und moralische Siegerin aufs Schafott steigen kann. Auch Heilige wie Jeanne d'Arc (Tschaikowsky, Die Jungfrau von Orléans) oder Franziskus von Assisi (Messiaen, Saint François d'Assise ) haben Komponisten zu Opern inspiriert, wenn auch die Vertonung unmittelbar religiöser Inhalte ihren Platz traditionellerweise nicht in der Oper findet. Und schließlich können auch jene Komponisten, die sich von der Lehre der Kirche abgewandt haben, der Allgemeingültigkeit des Glaubens nicht entgehen. Spannenderweise ist das letzte, was in den Menschen weiterhin an Gott gemahnt, auch wenn sie den tradierten Glauben für Aberglauben halten, ein marianisches Moment. Und so finden wir am Ende auch in Wagners Opern marianische Motive, die in der Verzweiflung des ringenden Menschen nicht weniger beredt von Gottsuche und Erlösungssehnsucht sprechen: Gott ist gegenwärtig, auch auf der Bühne! Foto Anna Diouf
Foto (c) Heike Mischewsky
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Lesermeinungen | myschkin 1. Februar 2018 | | | Ich freue mich sehr über Frau Dioufs neue Kolumne.
Dazu eine Anregung: Ein schönes Thema wäre, über Kardinal Meisners Kunstbegriff zu informieren. Ich hatte vor einiger Zeit einen sehr interessanten und klugen Essay des verehrten Kardinals über Joseph Beuys gelesen, und war über die Gedanken des Kardinals sehr überrascht und angetan. Offensichtlich einer, der sich auskennt, dachte ich. Umso mehr ärgerte ich mich über Kardinal Meisners Ablehnung der drei Richter-Fenster im Kölner Dom, die ich nach wie vor wunderschön finde. Hier konnte ich dem sonst so geschätzten Kardinal nicht folgen. Ich fand es über alle Maßen bedauerlich, dass es zu keinem öffentlichen Austausch zwischen Künstler und Kardinal kam. Ich denke, das wäre eine funkensprühende und erkennntnisreiche Auseinandersetzung geworden. Wenn man beide schätzt, den Kardinal und den Künstler, ist unsereins hin und hergerissen. Deshalb meine Anregung. | 0
| | | myschkin 31. Jänner 2018 | | | @stillerbeobachter Freilich ist es doch auch so: Schon vor vierzig Jahren wurde beklagt, dass die grauen Häupter in Kirchen, Konzertsälen und Opernhäusern dominieren würden. Dennoch gibt es Gottesdienste, Konzerte und Opernaufführungen nach wie vor. Das heißt allerdings nicht, dass die jungen Leute nicht abgeholt werden müssten. Das haben Sie sehr richtig festgestellt. Ich will Ihnen also nicht widersprechen, sondern Ihnen eine hoffnungsvollere Perspektive vor Augen stellen als das Aussterben von Gottesdienstbesuchern und Konzert- oder Operngängern. | 0
| | | 30. Jänner 2018 | | | und wenn ich mir das Publikum in einer gewöhnlichen Sonntagsmesse anschaue, ist es ebenso grauhaarig, wie in den Opernaufführungen des Stadttheaters. Wie müssen einfach mehr investieren in die jungen Leute, damit sie einen Zugang zur hl. Messe und zur Oper haben. | 3
| | | myschkin 30. Jänner 2018 | | | Sehr schöner Beitrag Ausgerechnet von Wagner stammt das Bonmot: Keine Oper ohne Gebet! Und Elisabeths "Allmächt'ge Jungfrau, hör' mein Flehen" ist einer der ergreifendsten Lebensabschiede in der gesamten Opernliteratur. Während der Trauerfeier für die Jahrhundertsängerin Birgit Nilsson erklang noch einmal das Gebet der Elisabeth, wie die Nilsson es in ihrer großen Zeit gesungen hatte.
Großartig ist übrigens auch "Les Dialogues des Carmelites" von Francis Poulenc: eine Oper über die seligen Märtyrerinnen von Compiègne, und der 2. Akt von Pfitzners Oper "Palestrina" blendet sich sogar ins Konzil von Trient ein.
Ich finde es super, dass die Autorin auf Puccinis "Suor Angelica" verwiesen hat: ein ergreifendes Meisterwerk, das übrigens erst in den letzten Jahrzehnten die Beachtung und Hochschätzung findet, die es verdient. Noch Ende des letzten Jahrhunderts wurde es als sentimentales Machwerk verachtet und in Deutschland kaum aufgeführt. | 3
| | | 30. Jänner 2018 | | | Der hl Papst J.PII hat im Jahr 2001, es war der hundertste Todestag von Guiseppe Verdi, eine Botschaft an alle Verdifreunde geschickt, wo er auf den tiefen christlichen Geist der Verdiopern hinwies. Und der hl. J.-P. II. hat etwas vom Theater verstanden! | 4
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