Syrien: „Eine knappe Minute war schlimmer als 12 Jahre Krieg“12. Februar 2023 in Chronik, 4 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Das weltweit tätige katholische Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)» stellt nach dem Erdbeben vom 6. Februar in einem ersten Schritt eine halbe Million Schweizer Franken Nothilfe für die Betroffenen der Naturkatastrophe in Syrien bereit.
Luzern/Damaskus (kath.net/ KiN CH)
Unter Schock haben viele Familien, deren Häuser zerstört oder schwer beschädigt wurden, in Kirchen, Klöstern oder sogar Krankenhäusern Zuflucht gesucht. Im Angesicht der jetzigen, weiteren Tragödie fordern die Syrer ein Ende der Sanktionen.
Syrien befindet sich seit fast 12 Jahren im Krieg, aber für viele Menschen in Aleppo und in anderen betroffenen Städten war das verheerende Erdbeben vom 6. Februar noch traumatischer.
Horror
„Fragt man die Menschen in Aleppo nach ihren Erfahrungen mit dem Krieg, so drücken sie Gefühle von Schmerz, Angst, Verzweiflung über die Zukunft, Verlust der Sicherheit usw. aus. Sie verwenden viele verschiedene Ausdrücke, um den 12-jährigen Krieg zu umschreiben. Fragt man sie aber nach dem Erdbeben, dem sie ausgesetzt waren, ist die Antwort nur ein Wort: Horror“, erklärte Schwester Annie Demerjian, eine katholische Ordensschwester, die in der Stadt lebt und arbeitet, gegenüber «Kirche in Not (ACN)».
„Stellen Sie sich vor, Sie liegen um 4 Uhr morgens im Bett, und der Boden beginnt heftig zu beben. Türen öffnen sich, Glas zerspringt, die Wände schwanken heftig, von draussen hört man Schreie und Einstürze, und nur ein Wort wird aus der Tiefe des Schreckens herausgeschrien: O Herr! Eine knappe Minute Zeit ist schlimmer als der ganze Krieg. Im Krieg gibt es sichere Gebiete und andere, die gefährlich sind, aber hier ist das ganze Land gefährlich“, fügt sie hinzu.
„Unser Krankenhaus könnte einstürzen“
Anne Marie Gagnon von der Kongregation der Schwestern des heiligen Joseph von der Erscheinung, eine weitere Projektpartnerin von «Kirche in Not (ACN)», ist die Leiterin des grossen katholischen Krankenhauses von St. Louis in Aleppo. Sie hatte viel zu tun, um den Überlebenden des Erdbebens zu helfen, das in der Stadt große Zerstörungen angerichtet hat.
In einer am Tag der Katastrophe verschickten Nachricht an «Kirche in Not (ACN)» sagt die Ordensschwester: „In Aleppo sind viele Wohnhäuser eingestürzt; es gibt viele Tote und Verletzte. Ausserdem regnet es und es ist sehr kalt.“
„Wir haben gerade zwei Menschen mit Verletzungen operiert. Im Krankenhaus ist eine christliche Familie, die bei dem Erdbeben Familienmitglieder verloren hat. Wir warten jetzt auf die Ankunft des verstorbenen Priesters, Pater Daher.“
Das Krankenhaus selbst hat das Erdbeben überstanden, aber es besteht die Befürchtung, dass die Bauschäden es unsicher gemacht haben. „Ein Teil unseres Krankenhauses droht einzustürzen. Die Steine haben sich bewegt und wir haben Angst, dass sie nachgeben, aber wir konzentrieren uns vor allem auf die kostenlose Versorgung der Verletzten“, sagt Schwester Anne Marie.
Sie können nirgendwohin gehen
Der Einsturz von Gebäuden ist eine immer wiederkehrende Befürchtung in einer Stadt, die sich noch immer nicht von den jahrelangen Kämpfen und Bombardierungen erholt hat, die bereits viele Gebäude in ihrer Bausubstanz geschwächt haben. Auch Kirchen sind betroffen, darunter die syrisch-orthodoxe Kirche St. Georg.
Trotzdem können einige Familien nirgendwo anders hin. „Die Menschen fragen jetzt in Kirchen und Klöstern und auch bei uns im Krankenhaus, ob sie bleiben können, bis die Krise vorbei ist. In vielen Gebäuden gibt es Risse; die Menschen, die im vierten oder fünften Stock leben, haben Angst, dort zu bleiben. Wir haben einige Matratzen für unser Personal auf den Boden gelegt, damit sie hierbleiben können“, erklärt die Direktorin.
Dies bestätigt Schwester Arlene, eine Karmelitin, ebenfalls aus Aleppo. Obwohl ihre Gemeinschaft für gewöhnlich in Klausur lebt, öffneten die Ordensschwestern angesichts dieses tragischen Ereignisses ihre Türen für Hilfesuchende. „Die Familien haben Angst und wollen nicht in ihre Häuser zurückkehren. Sie suchen einen Ort, an dem sie die Nacht verbringen können. Fünf Familien sind zu uns gekommen, und wir haben sie aufgenommen. Andere Familien gehen in Schulen oder Kirchen.“
„Wenn die Nacht gut verläuft, werden sie vielleicht nach Hause zurückkehren, aber in ihren Häusern gibt es Schäden. Heute Abend beten wir als Gemeinde für den Frieden. Die Menschen hier stehen unter Schock, sie reden nicht viel. So viele wurden verletzt oder sind gestorben!“, fügt sie hinzu.
„Ausnahmen von dem Embargo zulassen!“
Obwohl Syrien nicht das einzige Land ist, das von dem Erdbeben betroffen war, und die Schäden und die Zahl der Todesopfer in der Türkei deutlich höher sein können, ist es in Syrien eine weitere Katastrophe, die sich in eine bereits lange Liste von solchen einreiht.
„Zunächst ein Krieg, dann die Covid-19-Pandemie, dann Sanktionen und jetzt ein Erdbeben. Die Menschen sind so arm: Sie haben kein Geld zum Essen, kein Öl zum Kochen und kein Getreide“, sagt Schwester Anne Marie gegenüber ACN.
Viele westliche und regionale Länder sowie Organisationen haben bereits Hilfe zugesagt, aber die Syrer hoffen auf mehr. „Die Sanktionen müssen beendet werden. Wir bitten unsere Wohltäter, für uns zu beten und für die Änderung der Sanktionen zu beten. Sie müssen mit den Mächten in Europa darüber sprechen“, bittet Schwester Anne Marie.
«Kirche in Not (ACN)»-Präsident Heine-Geldern sieht besonders bei Geldüberweisungen für Nothilfe dringenden Handlungsbedarf. Er appelliert an die USA und die Europäische Union, die humanitäre Hilfe für das mit Sanktionen belegte Land zu erleichtern. „Es ist unsere Pflicht, der leidenden Zivilbevölkerung in Syrien zu helfen. Besonders die christliche Minderheit droht zu verschwinden. In ihrem Namen bitte ich Sie, den bestehenden internationalen Rechtsrahmen umzusetzen, der humanitäre Ausnahmen von dem Embargo zulässt“, betont Thomas Heine-Geldern, Präsident von «Kirche in Not (ACN)».
Predigt Maria Vesperbild - Jesus' Kriegserklärung an das lasche Christentum
Foto: Ein eingestürztes Haus in Aleppo. (Bild: © «Kirche in Not (ACN)»)
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Lesermeinungen | PoC 13. Februar 2023 | | |
Sicher, bei dem kürzlichen Erdbeben gab es innerhalb weniger Minuten mehr Zerstörung und leider wohl auch mehr Tode und Verletzte als in dem zwölfjährigen Krieg. Aber gegen Naturgewalten wie zB Erdbeben können wir leider bisher zu wenig tun. Mehr und erdbebensichere Häuser bauen, in die Forschung der Vorraussage von Beben mehr investieren, vor allem die Baubestimmungen in Erdbebengebieten, wie dort und z.B. der Westküste im Heimatland meiner Eltern stark kontrollieren, das wäre schon einmal etwas. Besonders natürlich in korrupten Staaten, wo Bestimmungen oft "übersehe" werden. Aber Kriege werden von uns Menschen gemacht und deswegen finde ich Krieg immer schlimmer. Er ist in Hass von uns Menschen begründet und Jesus will keinen Hass. | 0
| | | Adamo 12. Februar 2023 | | | Ein Glück dass "Kirche in Not" hilft! Gegen Erdbeben hilft nur: Erdbebensicher bauen!
In Deutschland und in der Schweiz muß für jedes Gebäude in dem sich Menschen aufhalten, ein sog. "Erdbebennachweis" (statischer Nachweis der Erdbebensicherheit) erbracht werden, ohne diesen Nachweis darf in einem erdbebengefährdeten Gebiet nicht gebaut werden.
Hierbei ist in den arabischen Ländern Unkenntnis und Korruption im Spiel oder es fehlt einfach an Erdbebenvorschriften, ihrer Durchsetzung und Überwachung durch die Baubehörden. | 1
| | | gáidaros 12. Februar 2023 | | | Beten wir für ein Ende der Sanktionen ! Seit Jahren gibt es von Seiten der USA Sanktionen gegen Syrien. Weil Assad ein Diktator ist ?
Pinochet war einer, MbS von Saudi-Arabien ist einer - Sanktionen der USA ? Fehlanzeige.
Wie meistens dürfte es wirtschaftlich-politische Gründe geben. Für die Ukraine gibt es milliardenschwere Waffenlieferungen und für Syrien gibt es nicht einmal Peanuts.
Die glücklicheren Syrer sind diejenigen, die im Westen als Flüchtlinge Asyl gefunden haben. Schon vor dem Erdbeben waren wegen der Sanktionen viele Medikamente in Syrien nicht erhältich. Von der Türkei wird nicht viel Hilfe kommen; erstens können sich Recep und Baschar nicht riechen und zweitens ist die Türkei selber ein Erdbebenopfer.
Die syrischen und türkischen Erdbebenopfer brauchen unsere Spenden. | 1
| | | Karlmaria 12. Februar 2023 | | | Da ist es jetzt schwieriger einen Schuldigen zu finden Ich sehe hier schon auch meine Unfähigkeit die Gründe für das viele Leid das auch durch Kriege kommt darzustellen. Denn mir ist das völlig klar dass der eigentlich Schuldige nicht ein Diktator ist sondern letztlich die Erbsünde und der Unwillen vieler Menschen das Heil das uns von Gott angeboten wird anzunehmen. Mir tut das immer Leid wenn da rum gemacht wird wie schlimm die entsprechenden Diktatoren doch sind. Denn das ist es doch nicht eigentlich. All diese Ereignisse sollten nicht zu politischen Programmen führen sondern dazu Buße zu tun. Deshalb lässt Gott das doch zu. Aber ich schaffe es auch nicht dass entsprechende Kommentare in weltlichen Medien freigeschaltet werden. Wenn die Menschheit lernt die Folgen der Erbsünde zu überwinden durch den Glauben dann gibt es auch weniger Krieg und weniger Erdbeben. Bei Krankheiten ist es ja genau so. Gestern habe ich bei Tota pulchra es Maria gelernt dass Macula originalis Erbsünde heißt. Ich habe ja auch Macula eine Augenkrankheit! | 1
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