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8. April 2015 in Buchtipp, keine Lesermeinung
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Auszug 3 aus dem "Tagebuch eines Jerusalempilgers. 14.000 Kilometer - 14.000 Hunde - Ein Priester" von Johannes Maria Schwarz


Linz (kath.net) Aus der leisen Vorahnung von gestern Abend war bis zum Morgen laute Gewissheit geworden. Viel Lärm, wenig Schlaf. Als um vier Uhr Neuankömmlinge zwei Meter neben meinem Zelt das Auto abstellten und die Geräuschkulisse um einige Facetten reicher wurde, war ich nur mehr ein Häuflein Elend mit Schlafentzug. Geschätzte 40 Minuten habe ich, auf die nächsten drei Stunden verteilt, noch gedöst und dann mein Zelt abgebrochen. Nebenan posierten im Halbdunkel arabische Teenager mit angespannten Muskeln im Blitzlicht der Handykameras. Damit war Facebook zweifellos wieder um einige Ultra-coole-Sonnenbrillen-auf-der-Nasenspitze-Selfies reicher.

Müde brach ich auf und suchte den Weg in die Berge nach Mukawir. Ich war noch keinen Kilometer unterwegs, als ich eine ganze Meile von Straßencampern passierte. Sie hatten das islamische Wochenende für einen Ausflug zu den heißen Quellen genutzt. Street-Sleeping, auf Decken neben dem Auto. Am Ende dieses Auflaufs, der zu dieser Stunde noch in der Horizontalen weilte, fand ich meine Abzweigung und ich begann den steilen Aufstieg. Unterwegs passierte ich den dampfenden Bach, der die Menschen hierhergelockt hatte. Kein Schwefelgeruch, nur extrem heißes Wasser, das sich weiter unten zwischen Palmen und dichtem Grün verlor. Selbstverständlich mussten da nun meine Füße rein und nach kurzem Zögern nutzte ich die Gelegenheit zu einer ausführlichen Körperpflege.

Erfrischt setzte ich meinen Weg fort. Meine Route führte nun immer höher auf einen Bergzug aus dunklem Gestein, der nach Norden spektakulär in ein tiefes Wadi abfiel. In der faszinierenden, vegetationslosen Landschaft kam ich an einigen Beduinenzelten vorbei. Aber was die Ziegen hier zu fressen fanden, blieb mir ein Rätsel. Nach zwei Stunden erreichte ich eine gut ausgebaute, praktisch unbefahrene Straße. Sie führte in einer völlig neuen Definition von „steil“ ein paar kurze Serpentinen hoch in das Bergland. Mein erstes Ziel lag nun in Blickweite. Machaerus war eine von Herodes zum Palast umgestaltete Burg, in der, gemäß dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus Flavius, Johannes der Täufer enthauptet worden war. Hier hatte Salome getanzt, in einer Ecke mit der Mutter ihren Lohn besprochen und den Kopf meines Namenspatrons eingefordert. Für mich war der Besuch dieser Stätte, die ich eine ganze Stunde über völlig für mich allein hatte, doch bewegend. Und während ich in der Mittagshitze aus dem Schatten einer Säule auf die kargen Hügel blickte und an die Entbehrungen von Johannes im Kerker dachte, beschlich mich Beschämung über meine eigene so geringe Leidensfähigkeit.


Nach der Mittagsrast setzte ich meinen Weg über die Berge fort. In Anbetracht der kommenden ortslosen Kilometer war ich froh, dass ein kleiner Obst- und Gemüsetransporter vorüber kam, der etwas Arabisches durch die Lautsprecher in die zerstreute Häusersiedlung plärrte. Mein Einkauf: ein Kilo Tomaten, ein Kilo Orangen. Zu Trinken bekam ich einige Kilometer später von der örtlichen Jordanian Civil Defense. Und wieder etwas später stand dann ein kleiner Laden mit Bäckerei in der einsamen Landschaft. Vom Rationierungsplan bis zum Überangebot innert einer Stunde. So kann es manchmal gehen.

In den späten Nachmittagsstunden erreichte ich den Rand des Wadis Heedan. Die Sonne tauchte diesen tiefen Riss in der Erdkruste in zahlreiche Schattierungen von gelb bis rot. Entlang der kurvigen Straße ins Tal warf sich eine ältere Frau auf ihrem Teppich am Straßenrand in Richtung Mekka, während vier junge Männer vor dem Auto warteten und rauchten. Ein paar Burschen kamen auf Eseln die steile Straße herauf und fragten mich nach Wasser. Dank der Civil Defense und dem Laden hatte ich nun mehr als genug und half gerne. Als ich weiter unten im Tal von der Straße abbog, um einen möglichen Schlafplatz zu erkunden, kam mir ein Beduine mit einer Herde Ziegen entgegen.

Der 23-Jährige Anas sprach etwas Englisch, warnte mich vor all den gefährlichen Tieren und bestand darauf, dass ich ihm nach Hause folgte. Und so saß ich eine Viertelstunde später im offenen Bereich des Zelts, dessen grober Stoff mit den Jutesäcken eines indischen Kaffeeimporteurs geflickt worden war. Hier lernte ich drei weitere der insgesamt neun Brüder kennen. Die Frauen, mit Ausnahme der Mutter, die man mir kurz vorstellte, blieben im hinteren, mit Stoff abgetrennten Bereich des Zeltes, dort wo sich die Küche befand.

Reisenden in den Ländern des Nahen Ostens wird in der Regel empfohlen, zwei Themenbereiche zu meiden: Politik und Religion. Beide Themen waren schon bald der Gesprächsstoff auf den Polstern rund ums Feuer. Dabei hatte alles sehr unschuldig mit meiner Frage nach dem Namen des Hirtenhundes begonnen. Es sei sein bestes Tier, erklärte Ahmet stolz. Sein Name sei Bush – George W. Es war eine wenig schmeichelhafte Hommage an den ehemaligen US-Präsidenten, der in den Augen meiner Gastgeber die katastrophalen Zustände im Irak zu verantworten hatte. Ich konnte damit punkten, dass sich die österreichische Außenpolitik schon lange lediglich auf die globale Verbreitung von Mozartkugeln beschränkte und langsam gelang es mir, das Thema wieder in andere Bahnen zu lenken. Womit wir natürlich bald bei der Religion gelandet waren. Neben Fladenbrot und hervorragenden Speisen wurde mir als katholischem khouri (Priester) auch die etwas heikle Frage serviert, was ich über Mohammed denke. „Good man or bad man?“, wollte Anis in aller Einfachheit wissen. Im Versuch, mit dem notwendigen Feingefühl und den erforderlichen Differenzierungen, klar zu sprechen, ohne dabei jemanden vor den Kopf zu stoßen, begann ich, die christliche Botschaft von Jesus und seine Umdeutung im Islam als Ausgangspunkt zu nehmen. Während ich meine Wertschätzung für Aspekte des muslimischen Gebetslebens hervorheben konnte, wurde deutlich, dass Jesus nicht beides sein konnte: Sohn Gottes und lediglich ein Prophet. Weil nun der Koran ersteres ausdrücklich ausschloss, für mich aber genau dies im Kern meines Glaubens stand, konnte ich als Christ in Mohammed keinen Propheten sehen. Damit konnte ich an etwas anknüpfen, dass ich in einer der ersten Suren des Korans gelesen hatte und das Gespräch, das weiterhin sehr freundschaftlich geführt wurde, ging wenig später wieder neue, unverfänglichere Wege.

Um halb elf war dann Schluss und man bettete sich dort auf den Polstern, wo man gegessen und geredet hatte, zur Nacht. Das Feuer erstarb. Es wurde still. Nur Gelsen surrten um mein Haupt. Für sie galt das islamische Genussverbot für Blut ja leider nicht.

Dr. theol. Johannes Maria Schwarz ist Priester des Erzbistums Vaduz/Liechtenstein, Vizedirektor des Priesterseminars Leopoldinum/Heiligenkreuz und kath.net-Mitarbeiter. Siehe auch kathpedia: Johannes Maria Schwarz. Näher kennenlernen kann man ihm auch im Beitrag von Alexa Gaspari: „Unterwegs sein mit Gott“.

kath.net-Buchtipp:
Tagebuch eines Jerusalempilgers: 14.000 Kilometer - 14.000 Hunde - Ein Priester.
Von Johannes Maria Schwarz
Gebundene Ausgabe, 464 Seiten
Eigenverlag 2015
ISBN: 978-3200039773
Preis 15,90

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Titelblatt des Buches



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