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DILEXI TE!

vor 10 Stunden in Aktuelles, 15 Lesermeinungen
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Papst Leo veröffentlicht mit der Apostolische Exhortation "Dilexi te" sein erstes offizielles Lehrschreiben


Rom (kath.net/KAP/red) Papst Leo XIV. hat am Donnerstag sein erstes päpstlichen Lehrschreiben veröffenlicht." Das Lehrschreiben trägt den aus einem Bibelzitat abgeleiteten Titel "Dilexi te" (Ich habe dich geliebt) und wurde vom Papst als "Apostolische Exhortation" unterzeichnet. Es steht damit vom Grad der Verbindlichkeit eine Stufe unterhalb einer Enzyklika (Rundschreiben), ist aber ebenfalls eine weltweit zu verbreitende Äußerung des kirchlichen Lehramts.

APOSTOLISCHE EXHORTATION DILEXI TE

1. »Ich [habe] dir meine Liebe zugewandt« (Offb 3,9), sagt der Herr zu einer christlichen Gemeinde, die im Gegensatz zu anderen keine Bedeutung oder Ressourcen hatte und Gewalt und Verachtung ausgesetzt war: Auch wenn »du nur geringe Kraft hast, werde ich sie kommen lassen, damit sie sich vor dir niederwerfen« (vgl. Offb 3,8-9). Dieser Text erinnert an die Worte des Lobgesangs Marias: »Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen« (Lk 1,52-53).

2. Die Liebeserklärung im Buch der Offenbarung des Johannes verweist auf das unerschöpfliche Geheimnis, das Papst Franziskus in seiner Enzyklika Dilexit nos über die göttliche und menschliche Liebe des Herzens Christi vertieft hat. Darin haben wir bewundert, wie Jesus sich »mit den Geringsten der Gesellschaft« identifizierte und wie er durch seine vollendete liebende Hingabe die Würde jedes Menschen sichtbar gemacht hat, umso mehr, »je schwächer, elender und leidender er ist«. [1] Die Liebe Christi zu betrachten »hilft uns, den Leiden und Nöten der anderen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und macht uns stark, an seinem Werk der Befreiung mitzuwirken, als Werkzeuge für die Verbreitung seiner Liebe«. [2]

3. Aus diesem Grund bereitete Papst Franziskus, in Fortsetzung der Enzyklika Dilexit nos, in den letzten Monaten seines Lebens eine Apostolische Exhortation über die Sorge der Kirche für die Armen und mit den Armen vor, die den Titel Dilexi te tragen sollte, mit dem Gedanken, dass Christus sich an jeden Einzelnen von ihnen wendet und sagt: Du hast wenig Kraft, wenig Macht, aber »ich [habe] dir meine Liebe zugewandt« ( Offb 3,9). Da ich dieses Projekt gewissermaßen als Erbe erhalten habe, freue ich mich, es mir – unter Hinzufügung einiger Überlegungen – zu eigen zu machen und es noch in der Anfangsphase meines Pontifikats vorzulegen. Ich teile den Wunsch meines verehrten Vorgängers, dass alle Christen den tiefen Zusammenhang zwischen der Liebe Christi und seinem Ruf, den Armen nahe zu sein, erkennen mögen. Auch ich halte es nämlich für nötig, auf diesen Weg der Heiligung zu dringen, denn in dem »Aufruf, ihn in den Armen und Leidenden zu erkennen, offenbart sich das Herz Christi selbst, seine Gesinnung und seine innersten Entscheidungen, die jeder Heilige nachzuahmen sucht«. [3]

KAPITEL I - EINIGE WESENTLICHE PUNKTE

4. Die Jünger Jesu kritisierten die Frau, die ihm ein sehr kostbares wohlriechendes Öl über das Haupt gegossen hatte: »Wozu diese Verschwendung?«, sagten sie, »Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können!«. Aber der Herr sagte zu ihnen: »Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer« (Mt 26,8-9.11). Diese Frau hatte verstanden, dass Jesus der demütige und leidende Messias war, über den sie ihre Liebe ausgießen konnte: Was für ein Trost war dieses Salböl auf dem Haupt, das wenige Tage später unter Dornen leiden sollte! Es war zwar nur eine kleine Tat, aber wer leidet, weiß, wie groß auch eine kleine Geste der Zuneigung ist und wie viel Trost sie bringen kann. Jesus versteht das und bestätigt ihre zeitlose Gültigkeit: »Auf der ganzen Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis« (Mt 26,13). Die Einfachheit dieser Tat offenbart etwas Großes. Keine Geste der Zuneigung, auch nicht die kleinste, wird vergessen werden, besonders wenn sie denen gilt, die in Schmerz, Einsamkeit und Not sind, wie es der Herr in dieser Stunde war.

5. Und eben in dieser Perspektive verbindet sich die Liebe zum Herrn mit der Liebe zu den Armen. Jener Jesus, der sagt: »Die Armen habt ihr immer bei euch« (Mt 26,11), drückt dasselbe aus, wenn er seinen Jüngern verspricht: »Ich bin bei euch alle Tage« (Mt 28,20). Gleichzeitig kommen uns wieder die Worte des Herrn in den Sinn: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40). Hier geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Offenbarung: Der Kontakt mit denen, die keine Macht und kein Ansehen haben, ist eine grundlegende Form der Begegnung mit dem Herrn der Geschichte. In den Armen hat er uns auch weiterhin noch etwas zu sagen.

Der heilige Franziskus

6. Papst Franziskus erinnerte an die Wahl seines Namens und erzählte, dass ihn nach seiner Wahl ein befreundeter Kardinal umarmte, küsste und ihm sagte: »Vergiss die Armen nicht!« [4] Es handelt sich um dieselbe Empfehlung, die die kirchlichen Autoritäten dem heiligen Paulus gaben, als er nach Jerusalem hinaufging, um seine Sendung prüfen zu lassen (vgl. Gal 2,1-10). Jahre später konnte der Apostel sagen: »Das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht« ( Gal 2,10). Und das war auch die Entscheidung des heiligen Franz von Assisi: Christus selbst war es, der ihn in dem Aussätzigen umarmte und sein Leben veränderte. Die leuchtende Gestalt des Poverello wird uns stets weiter inspirieren.

7. Er war es, der vor acht Jahrhunderten eine dem Evangelium entsprechende Erneuerung unter den Christen und in der Gesellschaft seiner Zeit bewirkte. Der junge Franziskus, der zunächst reich und übermütig war, wurde durch die Begegnung mit denen, die aus der Gemeinschaft ausgeschlossen waren, neu geboren. Der von ihm ausgehende Impuls bewegt bis heute die Herzen der Gläubigen und vieler Nichtgläubiger und »hat die Geschichte verändert«. [5] Das Zweite Vatikanische Konzil hat nach den Worten des heiligen Paul VI. diesen Weg beschritten: »Die alte Geschichte vom barmherzigen Samariter war das Paradigma der Spiritualität des Konzils.« [6] Ich bin überzeugt, dass die vorrangige Option für die Armen eine außerordentliche Erneuerung sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft bewirkt, wenn wir dazu fähig sind, uns von unserer Selbstbezogenheit zu befreien und auf ihren Schrei zu hören.

Der Schrei der Armen

8. Hierzu gibt es einen Text aus der Heiligen Schrift, von dem wir immer ausgehen müssen. Es handelt sich um die Offenbarung Gottes an Mose am brennenden Dornbusch: »Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen […]. Und jetzt geh! Ich sende dich« ( Ex 3,7-8.10). [7] Gott zeigt sich in Sorge angesichts der Not der Armen: „Als sie zum Herrn schrien, setzte ihnen der Herr einen Retter ein“ (vgl. Ri 3,15). Wenn wir also den Schrei der Armen hören, sind wir aufgerufen, mit dem Herzen Gottes zu fühlen, der sich um die Nöte seiner Kinder und besonders der Bedürftigsten kümmert. Bleiben wir hingegen diesem Schrei gegenüber gleichgültig, würde der Arme gegen uns zum Herrn schreien, und eine Sünde läge auf uns (vgl. Dtn 15,9), und wir würden uns vom Herzen Gottes selbst entfernen.

9. Die Lebenssituation der Armen ist ein Schrei, der in der Geschichte der Menschheit unser eigenes Leben, unsere Gesellschaften, die politischen und wirtschaftlichen Systeme und nicht zuletzt auch die Kirche beständig hinterfragt. Im verwundeten Gesicht der Armen sehen wir das Leiden der Unschuldigen und damit das Leiden Christi selbst. Zugleich sollten wir vielleicht besser von den vielen Gesichtern der Armen und der Armut sprechen, weil es sich um eine facettenreiche Problematik handelt. Es gibt nämlich viele Formen der Armut: die derjenigen, denen es materiell am Lebensnotwendigen fehlt, die Armut derer, die sozial ausgegrenzt sind und keine Mittel haben, um ihrer Würde und ihren Fähigkeiten Ausdruck zu verleihen, die moralische und geistliche Armut, die kulturelle Armut, die Armut derjenigen, die sich in einer Situation persönlicher oder sozialer Schwäche oder Fragilität befinden, die Armut derer, die keine Rechte, keinen Raum und keine Freiheit haben.

10. In diesem Sinne kann man sagen, dass das Engagement für die Armen und für die Beseitigung der sozialen und strukturellen Ursachen der Armut in den vergangenen Jahrzehnten zwar an Bedeutung gewonnen hat, aber nach wie vor unzureichend bleibt: Auch weil die Gesellschaften, in denen wir leben, oft Lebens- und Politikorientierungen bevorzugen, die von zahlreichen Ungleichheiten geprägt sind, und daher zu den alten Formen der Armut, deren wir uns bewusst geworden sind und die wir zu bekämpfen versuchen, neue, manchmal subtilere und gefährlichere Formen hinzukommen. Aus dieser Perspektive ist es sehr zu begrüßen, dass die Vereinten Nationen die Beseitigung der Armut zu einem der Millenniumsziele erklärt haben.


11. Mit dem konkreten Engagement für die Armen muss auch ein Mentalitätswandel einhergehen, der sich auf kultureller Ebene bemerkbar macht. Die Illusion, dass ein Leben in Wohlstand glücklich macht, führt viele Menschen nämlich zu einer Lebenseinstellung, die auf Ansammlung von Reichtum und sozialen Erfolg um jeden Preis ausgerichtet ist, auch wenn dies auf Kosten anderer geschieht und man dabei von ungerechten gesellschaftlichen Idealen bzw. politisch-wirtschaftlichen Verhältnissen profitiert, die die Stärkeren begünstigen. So sehen wir in einer Welt, in der es immer mehr arme Menschen gibt, paradoxerweise auch die Zunahme einiger reicher Eliten, die in einer Blase sehr komfortabler und luxuriöser Bedingungen leben, beinahe in einer anderen Welt im Vergleich zu den einfachen Menschen. Das bedeutet, dass es nach wie vor – manchmal gut getarnt – eine Kultur gibt, die andere ausgrenzt, ohne dies überhapt zu bemerken, und die es gleichgültig hinnimmt, dass Millionen von Menschen verhungern oder unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben. Vor ein paar Jahren sorgte das Foto eines leblosen Kindes an einem Mittelmeerstrand für erhebliches Aufsehen; leider werden derartige Vorkommnisse, von einer kurzzeitigen Gefühlsregung abgesehen, immer mehr zu irrelevanten Randnotizen.

12. Wir dürfen im Hinblick auf die Armut nicht unachtsam werden. Besonders besorgen uns die gravierenden Umstände, in denen sich sehr viele Menschen wegen Nahrungs- und Wassermangels befinden. Jeden Tag sterben Tausende von Menschen an den Folgen von Unterernährung. Auch in den reichen Ländern sind die Zahlen der Armen nicht weniger besorgniserregend. In Europa gibt es immer mehr Familien, die mit ihrem Einkommen nicht bis zum Monatsende auskommen. Generell ist eine Zunahme verschiedener Formen der Armut zu beobachten. Armut ist nicht mehr als ein einheitlicher Zustand zu verstehen, sondern äußert sich in vielfältigen Formen wirtschaftlicher und sozialer Verarmung und spiegelt das Phänomen wachsender Ungleichheit auch in allgemein wohlhabenden Lebensumfeldern wider. Wir erinnern daran: »Doppelt arm sind die Frauen, die Situationen der Ausschließung, der Misshandlung und der Gewalt erleiden, denn oft haben sie geringere Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen. Und doch finden wir auch unter ihnen fortwährend die bewundernswertesten Gesten eines täglichen Heroismus im Schutz und in der Fürsorge für die Gebrechlichkeit in ihren Familien.« [8] Obwohl in einigen Ländern wichtige Veränderungen zu beobachten sind, sind »die Gesellschaften auf der ganzen Erde noch lange nicht so organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer. Mit Worten behauptet man bestimmte Dinge, aber die Entscheidungen und die Wirklichkeit schreien eine andere Botschaft heraus«, [9] vor allem wenn man an die ärmsten Frauen denkt.

Ideologische Vorurteile

13. Jenseits der Daten – die manchmal so „interpretiert” werden, dass man glauben könnte, die Situation der Armen sei gar nicht so schlimm –, ist die allgemeine Lage ziemlich klar: »Es gibt wirtschaftliche Regeln, die sich für das Wachstum als wirksam erwiesen haben, aber nicht für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Der Reichtum ist gewachsen, aber ohne Gerechtigkeit, und so entsteht neue Armut. Wenn man sagt, dass die moderne Welt die Armut verringert hat, dann misst man sie mit Kriterien aus anderen Epochen, die mit der heutigen Realität nicht vergleichbar sind. In anderen Zeiten galt beispielsweise der fehlende Zugang zu Elektrizität nicht als Zeichen von Armut und war kein Grund für große Not. Armut wird immer im Kontext der realen Möglichkeiten eines konkreten historischen Moments analysiert und verstanden.« [10] Jenseits von besonderen und kontextbezogenen Situationen wurde 1984 in einem Dokument der Europäischen Gemeinschaft festgestellt, dass »verarmte Personen Einzelpersonen, Familien und Personengruppen [sind], die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist«. [11] Wenn wir jedoch anerkennen, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geburtsort die gleiche Würde haben, dürfen wir die großen Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen nicht außer Acht lassen.

14. Die Armen gibt es nicht zufällig oder aufgrund eines blinden und bitteren Schicksals. Noch weniger ist Armut für die meisten von ihnen eine freie Entscheidung. Und doch gibt es immer noch Personen, die dies behaupten und damit ihre Blindheit und Grausamkeit offenbaren. Natürlich gibt es unter den Armen auch solche, die nicht arbeiten wollen, vielleicht weil ihre Vorfahren, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, in Armut gestorben sind. Aber es gibt viele – Männer und Frauen –, die dennoch von morgens bis abends arbeiten, vielleicht Kartons sammeln oder ähnliche Tätigkeiten ausüben, obwohl sie wissen, dass diese Anstrengungen nur dem Überleben dienen und ihr Leben nicht wirklich verbessern werden. Wir dürfen nicht sagen, dass die meisten Armen arm sind, weil sie sich keine „Verdienste” erworben haben, gemäß jener falschen Vorstellung der Meritokratie, nach der scheinbar nur diejenigen Verdienste haben, die im Leben erfolgreich gewesen sind.

15. Auch Christen lassen sich oft von weltlichen Ideologien oder politischen und wirtschaftlichen Orientierungen anstecken, die zu ungerechten Verallgemeinerungen und abwegigen Schlussfolgerungen führen. Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung, bringt mich zu der Überzeugung, dass wir das Evangelium immer wieder neu lesen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine weltliche Gesinnung an seine Stelle tritt. Wenn wir nicht aus dem lebendigen Strom der Kirche herausfallen wollen, der dem Evangelium entspringt und jeden Moment der Geschichte fruchtbar werden lässt, dürfen wir auf gar keinen Fall die Armen vergessen.

[....] - KAPITEL II bis IV siehe hier: https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/apost_exhortations/documents/20251004-dilexi-te.html

KAPITEL V - EINE BESTÄNDIGE HERAUSFORDERUNG

103. Ich habe an diese zweitausendjährige Geschichte kirchlicher Aufmerksamkeit für die Armen und inmitten der Armen erinnern wollen, um zu zeigen, dass sie wesentlicher Bestandteil des ununterbrochenen Weges der Kirche ist. Die Sorge für die Armen ist Teil der großen Tradition der Kirche, wie ein Leuchtfeuer, das von den Anfängen des Evangeliums an die Herzen und die Schritte der Christen aller Zeiten erhellt hat. Daher müssen wir die Dringlichkeit verspüren, alle einzuladen, sich in diesen Strom an Licht und Leben zu begeben, der daraus hervorgeht, dass man Christus im Antlitz der Bedürftigen und Leidenden erkennt. Die Liebe zu den Armen ist ein wesentliches Element der Geschichte Gottes mit uns und sie entströmt dem Herzen der Kirche als ein fortwährender Aufruf an die Herzen der einzelnen Gläubigen wie auch ihrer Gemeinschaften. Als Leib Christi empfindet die Kirche das Leben der Armen, die ein privilegierter Teil des pilgernden Volkes sind, als ihr eigen „Fleisch“. Deshalb ist die Liebe zu den Armen – in welcher Form auch immer sich diese Armut zeigt – die evangeliumsgemäße Garantie für eine Kirche, die dem Herzen Gottes treu ist. Jede kirchliche Erneuerung hat denn auch immer diese vorrangige Aufmerksamkeit für die Armen, die sich sowohl in ihren Beweggründen als auch in ihrem Stil von der Tätigkeit jeder anderen humanitären Organisation unterscheidet, zu ihren Prioritäten gezählt.

104. Christen dürfen die Armen nicht bloß als soziales Problem betrachten: Sie sind eine „Familienangelegenheit“. Sie gehören „zu den Unsrigen“. Die Beziehung zu ihnen darf nicht auf eine Tätigkeit oder eine amtliche Verpflichtung der Kirche reduziert werden. Wie die Versammlung von Aparecida lehrt, »ist von uns [gefordert], dass wir den Armen Zeit widmen, uns ihnen liebevoll zuwenden, ihnen aufmerksam zuhören und ihnen in schwierigsten Momenten beistehen. So entscheiden wir uns für sie und teilen mit ihnen Stunden, Wochen oder auch Jahre unseres Lebens und suchen zusammen mit ihnen ihre Lage zu ändern. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns Jesus selbst durch sein Tun und Reden ein Beispiel dafür ist.« [114]

Noch einmal der barmherzige Samariter

105. Die vorherrschende Kultur zu Beginn dieses Jahrtausends neigt stark dazu, die Armen ihrem Schicksal zu überlassen, sie nicht für beachtenswert und noch weniger für schätzenswert zu halten. In der Enzyklika Fratelli tutti hat Papst Franziskus uns aufgefordert, über das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,25-37) nachzudenken, um genau diesen Aspekt zu vertiefen. In dem Gleichnis sehen wir nämlich, dass diejenigen, die an jenem verwundeten und am Straßenrand liegenden Mann vorbeikommen, unterschiedliche Haltungen an den Tag legen. Nur der barmherzige Samariter nimmt sich seiner an. So stellt sich wieder die Frage, die jeden persönlich betrifft: »Mit wem identifizierst du dich? Diese Frage ist hart, direkt und entscheidend. Welchem von ihnen ähnelst du? Wir müssen die uns umgebende Versuchung erkennen, die anderen nicht zu beachten, besonders die Schwächsten. Sagen wir es so, in vieler Hinsicht haben wir Fortschritte gemacht, doch wir sind Analphabeten, wenn es darum geht, die Gebrechlichsten und Schwächsten unserer entwickelten Gesellschaften zu begleiten, zu pflegen und zu unterstützen. Wir haben uns angewöhnt wegzuschauen, vorbeizugehen, die Situationen zu ignorieren, solange uns diese nicht direkt betreffen.« [115]

106. Und es tut uns sehr gut zu entdecken, dass sich jene Szene des barmherzigen Samariters auch heute wiederholt. Erinnern wir uns an eine Situation aus unserer Zeit: »Wenn ich einem Menschen begegne, der in einer kalten Nacht unter freiem Himmel schläft, kann ich fühlen, dass dieser arme Wicht etwas Unvorhergesehenes ist, das mir dazwischenkommt, ein Nichtsnutz und Gauner, ein Störenfried auf meinem Weg, ein lästiger Stachel für mein Gewissen, ein Problem, das die Politiker lösen müssen, und vielleicht sogar ein Abfall, der den öffentlichen Bereich verschmutzt. Oder ich kann aus dem Glauben und der Liebe heraus reagieren und in ihm ein menschliches Wesen erkennen, mit gleicher Würde wie ich, ein vom Vater unendlich geliebtes Geschöpf, ein Abbild Gottes, ein von Jesus Christus erlöster Bruder oder Schwester. Das heißt es, Christ zu sein! Oder kann man etwa die Heiligkeit abseits dieses konkreten Anerkennens der Würde jedes menschlichen Wesens verstehen?« [116] Was hat der barmherzige Samariter getan?

107. Diese Frage ist von großer Bedeutung, da sie uns hilft, einen schwerwiegenden Mangel in unseren Gesellschaften und auch in unseren christlichen Gemeinschaften zu erkennen. Es geht darum, dass viele Formen der Gleichgültigkeit, denen wir heute begegnen, »Zeichen eines verbreiteten Lebensstils [sind], der sich auf verschiedene, vielleicht auch subtilere Weisen zeigt. Da wir alle zudem sehr auf unsere eigenen Bedürfnisse bezogen sind, ist es uns lästig, jemanden leiden zu sehen; es stört uns, weil wir keine Zeit wegen der Probleme anderer verlieren wollen. Dies sind Symptome einer kranken Gesellschaft, die versucht, in ihrem Leben dem Schmerz den Rücken zuzukehren. Besser ist es, nicht in dieses Elend zu verfallen. Betrachten wir das Modell des barmherzigen Samariters.« [117] Die Schlussworte des Gleichnisses aus dem Evangelium – »Dann geh und handle du genauso« ( Lk 10,37) – sind ein Gebot, das ein Christ jeden Tag in seinem Herzen verspüren muss.

Eine unausweichliche Herausforderung für die Kirche von heute

108. In einer für die Kirche von Rom besonders schwierigen Zeit, als die kaiserlichen Institutionen unter dem Druck der Barbaren zusammenbrachen, ermahnte Papst Gregor der Große seine Gläubigen wie folgt: »Täglich finden wir einen Lazarus, so wir nur suchen, täglich sehen wir einen Lazarus, auch wenn wir nicht suchen. Siehe, ungelegen bieten sich die Armen, flehen uns die an, die einst als unsere Fürsprecher auftreten werden. […] Lasst also die Zeit des Erbarmens nicht ungenützt vorübergehen, vernachlässigt die empfangenen Heilmittel nicht.« [118] Mutig widersetzte er sich den weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber den Armen, wie etwa dem, dass sie für ihr Elend selbst verantwortlich seien: »Und wenn ihr Arme manches Tadelnswerte begehen seht, so verachtet sie nicht, gebt sie nicht auf; denn es reinigt sie wohl vom Schmutz kleiner Verkehrtheiten der Schmelzofen der Armut.« [119] Nicht selten macht Wohlstand blind, so dass wir bisweilen sogar meinen, wir könnten nur dann glücklich werden, wenn wir ohne die anderen auskommen. In dieser Hinsicht können die Armen für uns wie stille Lehrer sein, die unseren Stolz und unsere Arroganz in die richtige Demut zurückführen.

109. Wenn es richtig ist, dass die Armen von denen unterstützt werden, die über wirtschaftliche Mittel verfügen, dann gilt mit Sicherheit auch das Umgekehrte. Dies ist eine überraschende Erfahrung, die durch die christliche Tradition bezeugt wird und die zu einer echten Wende in unserem persönlichen Leben wird, wenn wir uns bewusstwerden, dass gerade die Armen es sind, die uns das Evangelium lehren. Auf welche Weise? Durch ihre Lebensumstände konfrontieren sie uns still mit unserer Schwachheit. Der alte Mensch erinnert uns beispielsweise durch die Gebrechlichkeit seines Körpers an unsere eigene Verletzlichkeit, auch wenn wir versuchen, sie hinter Wohlstand oder Äußerlichkeiten zu verbergen. Außerdem bringen uns die Armen zum Nachdenken über die Unhaltbarkeit jenes aggressiven Stolzes, mit dem wir oft den Schwierigkeiten des Lebens begegnen. Im Grunde lassen sie uns die Unsicherheit und Leere eines scheinbar geschützten und sicheren Lebens erkennen. Hören wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den heiligen Gregor den Großen: »Niemand wiege sich sonach in Sicherheit und sage: Da seht! Ich raube beileibe nicht Fremdes; ich genieße nur die mir zugestandenen Güter; denn dieser Reiche wurde nicht gestraft, weil er Fremdes geraubt, sondern weil er sich selbst gottloserweise an die empfangenen Güter verloren hatte. Was ihn dann ferner noch der Hölle überlieferte, war, dass er in seinem Glücke keine Furcht empfand, die empfangenen Gaben zur Anmaßung missbrauchte, kein Mitleid kannte […].« [120]

110. Für uns Christen führt die Frage nach den Armen zum Wesentlichen unseres Glaubens. Es ist die vorrangige Option für die Armen, das heißt die Liebe der Kirche zu ihnen, wie Johannes Paul II. lehrte, »die entscheidend ist und zu ihrer festen Tradition gehört, [sie] lässt die Kirche sich der Welt zuwenden, in der trotz des technisch-wirtschaftlichen Fortschritts die Armut gigantische Formen anzunehmen droht«. [121] Tatsächlich sind die Armen für die Christen keine soziologische Kategorie, sondern das Fleisch Christi selbst. Es genügt nämlich nicht, die Lehre von der Menschwerdung Gottes allgemein zu verkünden; um wirklich in dieses Geheimnis einzutreten, muss man genauer sagen, dass der Herr Fleisch angenommen hat, das hungert, dürstet, krank ist und gefangen. »Eine arme Kirche für die Armen tut ihren ersten Schritt, indem sie auf den Leib Christi zugeht. Wenn wir auf den Leib Christi zugehen, beginnen wir etwas zu verstehen – zu verstehen, was diese Armut ist: die Armut des Herrn. Und das ist nicht einfach.« [122]

111. Das Herz der Kirche ist ihrem Wesen gemäß solidarisch mit denen, die arm, ausgegrenzt und an den Rand gedrängt sind, mit denen, die als „Abfall“ der Gesellschaft betrachtet werden. Die Armen gehören zur Mitte der Kirche, denn »aus unserem Glauben an Christus, der arm geworden und den Armen und Ausgeschlossenen immer nahe ist, ergibt sich die Sorge um die ganzheitliche Entwicklung der am stärksten vernachlässigten Mitglieder der Gesellschaft«. [123] Im Herzen eines jeden Gläubigen gibt es das Bedürfnis, »auf diesen Ruf zu hören, [der] aus der Befreiung selbst folgt, die die Gnade in jedem von uns wirkt, und deshalb handelt es sich nicht um einen Auftrag, der nur einigen vorbehalten ist«. [124]

112. Manchmal lässt sich in einigen christlichen Bewegungen oder Gruppen ein mangeldes oder gar fehlendes Engagement für das Gemeinwohl der Gesellschaft und insbesondere für die Verteidigung und Förderung der Schwächsten und Benachteiligten feststellen. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass Religion, insbesondere die christliche, nicht auf den privaten Bereich beschränkt werden darf, so als ob die Gläubigen sich nicht auch um die Probleme der Zivilgesellschaft und die Ereignisse, die die Bürger betreffen, kümmern müssten. [125]

113. Tatsächlich läuft »jede beliebige Gemeinschaft in der Kirche, die beansprucht, in ihrer Ruhe zu verharren, ohne sich kreativ darum zu kümmern und wirksam daran mitzuarbeiten, dass die Armen in Würde leben können und niemand ausgeschlossen wird, […] die Gefahr der Auflösung, auch wenn sie über soziale Themen spricht und die Regierungen kritisiert. Sie wird schließlich leicht in einer mit religiösen Übungen, unfruchtbaren Versammlungen und leeren Reden heuchlerisch verborgenen spirituellen Weltlichkeit untergehen.« [126]

114. Wir sprechen nicht nur von Hilfe und vom notwendigen Einsatz für Gerechtigkeit. Die Gläubigen müssen sich einer weiteren Form der Inkonsequenz gegenüber den Armen bewusstwerden. In Wahrheit ist »die schlimmste Diskriminierung, unter der die Armen leiden, der Mangel an geistlicher Zuwendung […]. […] Die vorrangige Option für die Armen muss sich hauptsächlich in einer außerordentlichen und vorrangigen religiösen Zuwendung zeigen.» [127] Diese geistliche Aufmerksamkeit für die Armen wird jedoch durch bestimmte Vorurteile, auch seitens der Christen, in Frage gestellt, weil wir uns ohne die Armen wohler fühlen. Manche sagen fortwährend: „Unsere Aufgabe ist es, zu beten und die wahre Lehre zu verkünden.“ Und indem sie diesen religiösen Aspekt von einer ganzheitlichen Förderung trennen, fügen sie hinzu, dass allein die Regierung sich um sie kümmern sollte oder dass es besser wäre, sie in ihrem Elend zu lassen und ihnen erst einmal das Arbeiten beizubringen. Manchmal werden auch pseudowissenschaftliche Kriterien herangezogen, wenn etwa gesagt wird, dass der freie Markt von selbst zur Lösung des Problems der Armut führen werde. Oder man optiert sogar für eine Seelsorge der sogenannten „Eliten“ und behauptet, dass man, statt Zeit mit den Armen zu verschwenden, sich besser um die Reichen, Mächtigen und Berufstätigen kümmern sollte, um durch diese zu wirkungsvolleren Lösungen zu gelangen. Die Weltlichkeit hinter diesen Auffassungen ist leicht zu erkennen: Sie verleiten uns dazu, die Wirklichkeit mit oberflächlichen Kriterien zu betrachten, bar jedes übernatürlichen Lichts, wenn wir es lieber mit Menschen zu tun zu haben, die uns ein Gefühl von Sicherheit geben, und wenn wir Privilegien suchen, die uns genehm sind.

Geben, auch heute noch

115. Es ist angebracht, noch ein Wort über die Almosengabe zu sagen, die heute keinen guten Ruf genießt, oft nicht einmal unter Gläubigen. Sie wird nicht nur selten praktiziert, sondern manchmal sogar geringgeschätzt. Einerseits betone ich noch einmal, dass die wichtigste Hilfe für einen armen Menschen darin besteht, ihm zu einer guten Arbeit zu verhelfen, damit er sich durch die Entfaltung seiner Fähigkeiten und durch seinen persönlichen Einsatz ein Leben verdienen kann, das seiner Würde besser entspricht. Tatsächlich ist »Arbeitslosigkeit […] viel mehr als das Versiegen einer Einkommensquelle für den Lebensunterhalt. Die Arbeit ist auch das, aber sie ist noch viel, viel mehr. Durch die Arbeit werden wir mehr zur Person, gedeiht unsere Menschlichkeit. Junge Menschen werden nur durch die Arbeit erwachsen. Die Soziallehre der Kirche hat die menschliche Arbeit stets als eine Teilhabe an der Schöpfung betrachtet, die täglich fortgesetzt wird, auch durch die Hände, den Verstand und das Herz der Arbeiter.« [128] Andererseits dürfen wir uns, wenn eine solche konkrete Möglichkeit noch nicht besteht, nicht auf das Risiko einlassen, einen Menschen ohne das Nötigste für ein würdiges Leben seinem Schicksal zu überlassen. Deshalb bleibt die Almosengabe eine notwendige Gelegenheit der Berührung, der Begegnung und der Empathie.

116. Für diejenigen, die wirklich lieben, ist es klar, dass die Almosengabe nicht die zuständigen Behörden von ihrer Verantwortung entbindet, noch den organisatorischen Einsatz der Institutionen überflüssig macht und ebenso wenig den legitimen Kampf für Gerechtigkeit ersetzt. Sie hält jedoch zumindest dazu an, innezuhalten und den Armen ins Gesicht zu schauen, sie zu berühren und etwas vom eigenen Besitz mit ihnen zu teilen. In jedem Fall verleiht die Almosengabe, auch wenn sie gering ist, einem Sozialleben, in dem alle ihren persönlichen Interessen nacheilen, eine gewisse Pietas. Im Buch der Sprichwörter heißt es: »Wer ein gütiges Auge hat, wird gesegnet, weil er den Armen von seinem Brot gibt« (Spr 22,9).

117. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalten regelrechte Lobgesänge auf die Almosengabe: »Doch hab Geduld mit dem Niedrigen und lass ihn nicht auf Wohltat warten! […] Verschließ Wohltaten in deinen Vorratskammern, sie werden dich retten aus allem Unheil!« (Sir 29,8.12). Und Jesus greift diese Lehre auf: »Verkauft euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst!« (Lk 12,33).

118. Die folgende Ermahnung wurde dem heiligen Johannes Chrysostomus zugeschrieben: »Die Almosengabe ist nämlich ein Flügel des Gebets. Wenn du deinem Gebet keine Flügel verleihst, wird es nicht fliegen.« [129] Und der heilige Gregor von Nazianz schloss eine seiner berühmten Predigten mit folgenden Worten: »Wenn ihr, Diener, Brüder und Erben Christi, nun auf mich hören wollt, dann wollen wir, solange es noch Zeit ist, Christus besuchen, Christus heilen, Christus ernähren, Christus bekleiden, Christus beherbergen, Christus ehren, aber nicht nur durch Bewirtung, wie es einige getan haben, und nicht gleich Maria mit Salben und nicht bloß durch ein Grab wie Joseph von Arimathea, auch nicht durch Geschenke für die Beerdigung gleich Nikodemus, der ein heiliger Christ war, auch nicht mit Gold, Weihrauch und Myrrhen, wie es vor den Genannten die Magier getan hatten. Da der Herr der Welt Barmherzigkeit will und nicht Opfer, […], so wollen wir ihm in den Notleidenden, […], Barmherzigkeit zeigen, damit sie, wenn wir von hier scheiden müssen, uns in die ewigen Zelte aufnehmen.« [130]

119. Die Liebe und die tiefsten Überzeugungen müssen genährt werden, und dies erfolgt durch Taten. Wenn wir in der Welt der Ideen und der Diskussionen verbleiben, ohne persönliche, wiederholte und von Herzen kommende Gesten, wird dies zum Scheitern unserer kostbarsten Träume führen. Aus diesem einfachen Grund verzichten wir als Christen nicht auf die Almosengabe. Eine Geste, die auf verschiedene Weise vorgenommen werden kann und die wir versuchen können, möglichst effektiv zu gestalten, die wir aber auf jeden Fall tun müssen. Und es wird stets besser sein, etwas zu unternehmen, als nichts zu machen. In jedem Fall wird es unser Herz berühren. Es wird nicht die Lösung für die Armut in der Welt sein, die mit Intelligenz, Ausdauer und sozialem Engagement angestrebt werden muss. Aber wir müssen uns in der Almosengabe üben, um das leidende Fleisch der Armen zu berühren.

120. Die christliche Liebe überwindet alle Schranken, bringt Fernstehende einander nahe, verbindet Fremde, macht Feinde zu Vertrauten, überwindet menschlich unüberwindbare Abgründe und gelangt in die verborgensten Winkel der Gesellschaft. Die christliche Liebe ist ihrem Wesen nach prophetisch, sie vollbringt Wunder, sie kennt keine Grenzen: Sie ist für das Unmögliche da. Die Liebe ist vor allem eine Art Lebenskonzept, eine Lebensweise. Eine Kirche, die der Liebe keine Grenzen setzt, die keine zu bekämpfenden Feinde kennt, sondern nur Männer und Frauen, die es zu lieben gilt, das ist die Kirche, die die Welt heute braucht.

121. Sowohl durch eure Arbeit als auch durch euren Einsatz für die Veränderung ungerechter sozialer Strukturen als auch durch eine solch einfache, sehr persönliche und unmittelbare Geste der Hilfe wird jener Arme spüren können, dass die Worte Jesu ihm gelten: »Ich [habe] dir meine Liebe zugewandt« (Offb 3,9).

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am Gedenktag des heiligen Franz von Assisi, dem 4. Oktober des Jahres 2025, dem ersten meines Pontifikats.

 

GESAMTES SCHREIBEN - SIEHE hier https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/apost_exhortations/documents/20251004-dilexi-te.html

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Lesermeinungen

 MPDE vor 3 Stunden 
 

Ist Armut ein zu weltliches Thema?

Christus hat Kranke geheilt, Hungrige gespeist und Ausgestoßene aufgenommen. Das ist kein „NGO-Kurs“, sondern gelebte Inkarnation.
Papst Leo XIV. steht mit „Dilexi te“ in der Linie der katholischen Soziallehre, von Rerum novarum über Populorum progressio bis Fratelli tutti: Die Liebe zu Gott zeigt sich im Dienst am Nächsten. Wer das „Weltliche“ vom „Jenseitigen“ trennen will, riskiert eine spirituelle Abstraktion ohne Fleisch und Blut.
Eine Kirche, die die Not der Menschen übersieht, verrät nicht nur ihre Sendung, sondern auch das Herz ihres Herrn.


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 SalvatoreMio vor 3 Stunden 
 

Spendenbereitschaft - Großzügigkeit

@Versusdeum: Sie sagen: "Das Thema Armut, Hunger und Leid sollte besonders uns Christen am Herzen liegen": ich meine, das ist auch so! Und auch manche, die sich nicht als gläubig betrachten, haben oft ein weites Herz für andere. Gewiss gibt es in der Bevölkerung gewaltige Unterschiede, aber ich habe insgesamt den Eindruck, dass wir (nicht nur in Deutschland) ein Volk sind, wo sehr viel gespendet wird, auch bei diesen großen adventlichen Gala-Aktionen für Krebskranke- und Krebsforschung usw. und für viele Bereiche des Lebens, wozu auch Spenden für Sport und manches Andere zählen, was wichtig ist zum Wohl aller. - Aber uns wird derzeit der Gürtel immer enger geschnallt. Es wird schwieriger!


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 Triceratops vor 4 Stunden 
 

@Gandalf @Versusdeum

Zum Thema "Almosengabe hat keinen guten Ruf": Ich zum Beispiel habe in Gesprächen schon des öfteren gehört, dass sich jemand über "Bettelbriefe" beschwert (durchaus auch Katholiken) und wenn diesem Brief eventuell noch eine Kleinigkeit (Rosenkranz, Aufkleber, ...) beiliegt, so wird das oft als "Erpressungsgeschenk" bezeichnet.

@Versusdeum zum Thema "Verächtlichmachung von Nächstenliebe": Mir fallen dazu ganz spontan die immer wiederkehrenden Anwürfe gegen Mutter Teresa ein.


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 Wilolf vor 4 Stunden 
 

Anscheinend

stammt der größte Teil des Textes noch von Papst Franziskus. „unter Hinzufügung einiger Überlegungen“ von Papst Leo.


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 Triceratops vor 4 Stunden 
 

@Gandalf

Sehr richtig. Nur lesen die Leute oft nicht einmal die Artikel hier vollständig, wie man sieht. Von Originaltexten ganz zu schweigen. Drum muss man sie halt doch immer noch extra mit der Nase draufstoßen.
Ich finde es gut, dass Sie den ursprünglichen Artikel mit den Kürzungen durch die (soweit ich das in der Geschwindigkeit überblicke) durch die vollständigen ersten 15 Punkte ersetzt haben. Hoffentlich bemerken die Leute auch Ihren Link zum gesamten Schreiben und lesen dieses dann auch.


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 Hardenberg vor 4 Stunden 
 

Viel Franziskus

Also wenn ich das so lese, ist das viel Franziskus und wenig Benedikt. Da hilft auch die Mozetta nicht.


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 Gandalf vor 4 Stunden 

Diesen Satz versteh ich nicht:

"115. Es ist angebracht, noch ein Wort über die Almosengabe zu sagen, die heute keinen guten Ruf genießt, oft nicht einmal unter Gläubigen. Sie wird nicht nur selten praktiziert, sondern manchmal sogar geringgeschätzt." - Wie bitte? Warum sollte die keinen guten Ruf genießen? Wenn es noch wo passiert, dann in den Kirchen...


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 Gandalf vor 5 Stunden 

Die Auszüge sind von der KAP verbreitet worden!

UNTEN stand von ANFANG der LINK!


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 Triceratops vor 5 Stunden 
 

@kleingläubiger

Dieser Ihr Eindruck ergibt sich daraus, dass der Text hier SEHR stark verkürzt wiedergegeben ist. Sie können das schon allein daran erkennen, wenn Sie sich die Nummerierung der einzelnen Abschnitte genauer ansehen.
Gehen Sie auf www.vatican.va oder vaticannews.va und lesen Sie sich den Originaltext durch. Sie werden dabei feststellen, dass dieser Text in Wirklichkeit mindestens 5-6 Mal länger ist als das hier abgedruckte und stellenweise SEHR fromm ist.
(Das mit dem verkürzten Text soll übrigens kein Vorwurf an kath.net sein, denn es ist selbstverständlich - wahrscheinlich schon rein technisch - unmöglich, einen Text dieser Länge hier zu veröffentlichen.)


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 Versusdeum vor 5 Stunden 
 

Schade

Ja, das Thema Armut, Hunger und Leid sollte besonders uns Christen am Herzen liegen. Da die wichtigste Aufgabe der Kirche aber bekanntlich die Rettung möglichst vieler Seelen vor der ewigen Verdammnis ist und aufgrund bisheriger Aussagen des Papstes hatte ich auf ein weniger "weltliches" Thema gehofft. Nun ja, also beim nächsten Mal.
Derweil sinniere ich, ob die (soziale) Marktwirtschaft, die wir seit dwm Krieg hatten und noch teilweise haben, wirklich so schlimm war und welche Alternativen es gäbe (vielleicht die weltweit krachend gescheiterte kommunistische Planwirtschaft?)


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 SalvatoreMio vor 5 Stunden 
 

Wer sind die wirklich Armen?

@kleingläubiger: leider muss ich Ihnen zustimmen. Ein afrikanischer Priester aus einem der ärmsten Länder der Welt, der an eigenem Leib erlebt hat, was Armut ist - wir tauschen oft unsere Gedanken aus und sind uns einig: die Allerärmsten sind die, für die es keinen Gott gibt, keinen Schöpfer und Erlöser, und seien sie hier auf Erden mit allen Gütern gesegnet.


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 dalex vor 6 Stunden 
 

Ich weiß nicht,...

...ob es der Kirche an Almosengabe mangelt, dem würde ich nicht zustimmen. Mir kommt da die Ansprache von Papst Benedikt 2006 auf dem früheren Flugfeld in Riem in Erinnerung:
"Die katholische Kirche in Deutschland ist großartig durch ihre sozialen Aktivitäten, durch ihre Bereitschaft zu helfen, wo immer es not tut. (...)
Dann und wann sagt aber ein afrikanischer Bischof zu mir: „Wenn ich in Deutschland soziale Projekte vorlege, finde ich sofort offene Türen. Aber wenn ich mit einem Evangelisierungsprojekt komme stoße ich eher auf Zurückhaltung.“ - und nach fast zwanzig Jahren ist dieses Problem noch virulenter denn je.


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 Versusdeum vor 7 Stunden 
 

Verächtlichmachen von Nächstenliebe?

"...dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird" hat mich aufhorchen lassen. Denn wer tut das bei echter Nächstenliebe schon? Gemeint sind wohl Begriffe wie "Gutmensch", der allerdings Personen meint, die sich auf Kosten anderer im Licht moralischer Überheblichkeit sonnen, während sie andere (ehrenamtlich) die Arbeit machen lassen, und die dabei vielleicht sogar mit "Nächstenliebe" Kasse machen. Die Kasse bezahlen andere für die Anarchie an den Grenzen und bei der Registrierung mit ihrem Steuergeld, mit nicht immer positiven Veränderungen ihres Lebensumfeldes*, mit ihrer körperlichen Unversehrtheit oder gar ihrem Leben.
* Auf allen Ebenen im Land zu spüren, nicht nur der inneren Sicherheit, aber in den Villenvierteln und Nobelkarossen der Politiker (noch) noch nicht


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 kleingläubiger vor 9 Stunden 
 

Beim ersten, kurzen Überfliegen habe ich viel weltliches und wenig bis gar nichts jenseitiges entdecken können. Ganz im Geist des Vorgängers. Eine Änderung im weltlichen NGO-Kurs lässt damit leider weiter auf sich warten.


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 Stefan Fleischer vor 9 Stunden 

Generell

«Generell ist eine Zunahme verschiedener Formen der Armut zu beobachten.»
Und die Lösung des Problems?
«Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit; / alle, die danach leben, sind klug. / Sein Ruhm hat Bestand für immer.» (Ps 111,10)
Deshalb müssen wir wieder allen Menschen und uns selbst verkünden:
«Kehrt um zu ihm, Israels Söhne, / zu ihm, von dem ihr euch so weit entfernt habt. (Jes 31,6) «Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.» (Mt 6,33) Denn: «Wenn nicht der Herr das Haus baut, / müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, / wacht der Wächter umsonst.» (Ps 127,1)


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