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Zehn Jahre ewige Anbetung - ein pastorales Wunder – ein Schlüssel zur Reform!

vor 35 Stunden in Interview, 6 Lesermeinungen
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"Nach dem Konzil ist das Gespür für die Anbetung etwas geschwunden, nämlich durch Ausuferungen und auch Fehlentwicklungen in der sogenannten Liturgiereform" - kath.net-Interview mit Dechant Ignaz Steinwender über 'Zehn Jahre ewige Anbetung'


Zell am Ziller/Salzburg (kath.net/rn)
In der Pfarre Zell am Ziller im Tiroler Teil der Erzdiözese Salzburg konnte jüngst das Jubiläum "Zehn Jahre ewige Anbetung" mit dem Apostolischen Segen von Papst Leo gefeiert werden. Das heißt, zehn Jahre lang wurde ununterbrochen angebetet, sieben mal 24 Stunden in der Woche ist immer wenigstens ein Beter anwesend, um den Himmel offenzuhalten. Insgesamt wurden über 88.000 Stunden angebetet und die Anbetung geht ungebrochen weiter.

Wie so ein pastorales, spirituelles Wunder möglich ist, ob die Anbetung nicht ein Schlüssel wäre für das geistliche Leben von Gläubigen, für eine lebendige Pfarre oder auch für eine wahre Reform der Kirche? Darüber spricht Bettina Rahm mit Dekan Ignaz Steinwender

Bettina Rahm: Herr Dekan, Vor kurzem haben Sie mit der Pfarre Zell am Ziller und vielen Anbetern und Gästen das Jubiläum "Zehn Jahre ewige Anbetung" gefeiert! Das ist gewiss ein Grund, innezuhalten, darüber nachzudenken und zu sprechen. Welche Gesichtspunkte erscheinen Ihnen besonders wichtig bzw. für interessierte Leser relevant?

Steinwender: Sicher könnte man über die Entstehung sprechen und über das Wesen der Anbetung, aber auch die praktische Durchführung und die Früchte einer ewigen Anbetung könnten von Interesse sein. Ich selber habe darüber nachgedacht, wie dieses pastorale Wunder möglich wurde und ich bin überzeugt, dass es überall möglich wäre!

Rahm: Darauf komme ich später noch zurück, doch erlauben Sie mir zu Beginn eine persönliche Frage: Seit wann haben Sie eine Beziehung zur Anbetung? Haben Sie ein besonderes Charisma dafür, oder kann man das lernen? Wie ist das eigentlich?

Steinwender: Die Anbetung selbst ist ein Beziehungsgeschehen, d. h. etwas, das wie eine lebendige Beziehung unter Menschen wachsen kann. Ich bin immer noch dabei, in dieser Beziehung zu wachsen.

Begonnen hat das Interesse für die Anbetung, als ich am Beginn meines Studiums im Jahre 1989 Chauffeur von Erzbischof Georg Eder wurde. Da habe ich einfach mitbekommen, dass ihm die Anbetung wichtig ist, dass er sich in der schon damals gegenwärtigen Krise vor allem in der Liturgie viel von der Anbetung erwartet hat.

Im Jahre 1995, unmittelbar nach der Primiz, machte ich in London eine Urlaubsvertretung. Da hat es mich tief beeindruckt, dass dort an jedem Werktag nach der Messe Anbetung und Beichtgelegenheit war. Das habe ich – mitten im hektischen Treiben der Großstadt – wie eine geistliche Oase erlebt.

In meiner ersten Pfarre in Dorfgastein hatte ich dann begonnen, die Anbetung zu fördern und wir haben schließlich einen Anbetungstag wöchentlich eingeführt, der dann auch nach meinem Weggang weitergeführt wurde.

Rahm: Gab es für Sie so etwas wie ein Schlüsselerlebnis bei einer Anbetung, über das Sie uns berichten möchten?

Steinwender: Ich habe öfters eine innere Ergriffenheit erlebt, aber ein Erlebnis ist mir in besonderer Erinnerung. Als ich mit einigen Jugendlichen in Köln war beim Weltjugendtag, da kam am Vorabend Papst Benedikt. Es waren einige 100.000 Jugendliche anwesend. Der Papst ist dann vor dem Allerheiligsten niedergekniet und er hat – und mit ihm die Jugendlichen –  in Stille angebetet. Es war eine absolute Stille, und diese Stille war unglaublich erfüllt mit Kraft. Es war irgendwie fast ein mystischer Moment. Hier konnten, glaube ich, sehr viele unmittelbar wahrnehmen, dass ER da ist!!

Rahm: Wie kam es in der Pfarre zur ewigen Anbetung? Gab es da einen entscheidenden Punkt oder eine Erfahrung? Gab es ein besonderes Bedürfnis oder gab es Leute, die das irgendwie bewirkt haben?

Steinwender: Wir haben in der Pfarre die Anbetung generell gefördert und auch ausgebaut. Es begann mit einer Stunde vor der Abendmesse am Freitag, dann folgte ein Tag im Monat, dann ein Tag pro Woche, schließlich kam eine regelmäßige Nachtanbetung in der Vorbereitung auf das damals gefeierte Engelbertjubiläum dazu. Dann kam ein konkreter Vorschlag. Ich teilte ein Pur-Magazin für Interessierte und für die Anbeter des 40-stündigen Gebetes, das wir immer zu Weihnachten haben, aus und dort war ein Bericht von einer Ewigen Anbetung in einer deutschen Pfarre enthalten, ich glaube es war Tirschenreuth. Das haben zwei Pfarrgemeinderätinnen gelesen und sind dann zu mir gekommen mit der Frage: Könnten wir das nicht in der Pfarre machen?

Zunächst konnte ich mir das nicht vorstellen, schließlich dachte ich: Wenn wir so etwas machen wollen, dann geht es nur über oder mit dem Pfarrgemeinderat. Wir hatten dann eine Sitzung, wo diese Idee zur Diskussion stand. Es war niemand explizit dagegen, aber sicher dachten und sagten sich manche: Wie soll denn das gehen, das ist doch unmöglich. So haben wir diese Idee einmal im Raum stehen lassen und darüber nachgedacht. Bei einer weiteren Sitzung habe ich dann einen Vortrag gemacht über Sinn und Wesen der Anbetung. Da ist dann schon vieles klarer geworden. Wir haben einen Ausschuss eingerichtet und die einzelnen Mitglieder haben begonnen zu sondieren, d. h. Bereitschaftserklärungen über die Übernahme einer fixen Wochenstunde zu sammeln. Nach einem halben Jahr waren wir schließlich soweit und haben dann mit einem feierlichen Akt am 15. August 2015 die Anbetung begonnen.

Rahm: Manchmal kommt es vor, dass ich Gästen oder einfach Auswärtigen erzähle, dass wir eine ewige Anbetung haben. Da fragen sie dann oft ungläubig nach, ob wirklich zu jeder Tag- und Nachtzeit jemand da ist und das sieben Tage die Woche. Häufig höre ich dann: Das ist doch nicht möglich! Noch dazu in Zeiten wie diesen? Wie ist es schließlich gelungen, die nötigen Bereitschaften zu bekommen? Gab es Hindernisse, Durststecken etc.?

Steinwender: Wie bereits gesagt, haben wir bereits die Jahre davor die Anbetung gefördert und ausgebaut, das heißt, es war bei manchen Gläubigen schon eine Liebe zur Anbetung gewachsen. Wir sind dann pastoral klug vorgegangen, indem wir in Stille die Bereitschaftserklärungen eingeholt haben, ohne das Vorhaben an die große Glocke zu hängen. So konnten wir eine Entmutigung durch jene, die uns für verrückt gehalten hätten, vermeiden. Dann kam ein Wendepunkt nach dem Motto alles oder nichts, aber es waren einige wichtige Punkte, die letztlich zum „Erfolg“ führten.


Erstens: Wir haben am Beginn ein Gebet formuliert und dies jeden Tag gebetet. D. h. wir haben auf die Hilfe Gottes gebaut.

Zweitens: Wir haben geglaubt, dass es möglich ist!!!

Drittens: Ich bin sicher, dass Anbetung etwas dem Menschen Wesentliches ist. Der Mensch ist für die Anbetung geschaffen! 

Viertens: Wir hatten einen geistlichen Helfer, den mittlerweile von Papst Franziskus heiliggesprochenen Engelbert Kolland (Link), der aus unserer Pfarre stammt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ER bei diesem pastoralen Wunder geholfen hat und auch, dass die Anbeter mitgewirkt haben an seiner Heiligsprechung. Die Anbetung ist ja mittlerweile auch im Engelberthaus untergebracht, im ehemaligen Wohnhaus der  Eltern des Heiligen, das wir aus der Steiermark nach Zell am Ziller transferiert haben.

Rahm: Mich würde jetzt eine allgemeine Frage interessieren. Es gibt ja heutzutage viel Interesse an Meditation, an Kontemplation, und gleichzeitig hat man den Eindruck, dass gerade im kirchlichen Leben in den letzten Jahrzehnten die Stille und die Kontemplation eher verdrängt wurde. Was ist das Besondere an der stillen Anbetung des Allerheiligsten?

Steinwender: Anbetung ist eine christliche Form der Meditation. Vielleicht sollte man da erwähnen, dass sich die christliche Meditation von vielen östlichen Formen vor allem dadurch unterscheidet, dass der Meditierende ein Gegenüber hat, und dass dieses Gegenüber sogar eine Person ist. Wir glauben an einen Gott, der Person ist, für uns ist Beten ein Gespräch von Person zu Person und meditieren ein Verweilen beim Herrn. In der Anbetung ist dies neben den Sakramenten in höchster Form der Fall, weil wir an die reale Gegenwart des Herrn in der Hostie glauben.

Das Konzil von Trient hat schon festgestellt, dass Gott in der Hostie "realiter, substantialiter et vere",  das heißt, real, dem Wesen nach und wahrhaft gegenwärtig ist. Deswegen darf der Anbeter nicht nur vor Gott alles, was ihn bewegt hinlegen, sondern er kann bewusst in seiner Gegenwart sein wie ein Urlauber in der Sonne, und sich vom Herrn, von den Strahlen seiner Güte und Liebe anstrahlen, stärken, heilen und auch verändern lassen. Das tiefste Verständnis ist, wenn jemand die Anbetung als Dasein vor dem Herrn sieht, wo dann ER an seiner Seele arbeitet.

Die Kirche hat hier einen Schatz, den niemand in dieser Form hat und ich glaube, dass es gerade danach eine weit verbreitete Sehnsucht gibt!

Rahm: Ist die Anbetung des Allerheiligsten etwas allgemein Kirchliches, das es schon immer gab oder etwas Spezielles für einige?

Steinwender: Anbeten ist natürlich so etwas wie ein besonderes Charisma, das aber vielleicht jeder bei sich entdecken kann. In der Urkirche hat man begonnen, die Eucharistischen Gestalten besonders zu beachten oder zu ehren, im Mittelalter war der Kult der Anbetung schon weit verbreitet. Es gibt innerhalb der Kirche Orden, die die Anbetung des Allerheiligsten besonders pflegen wie Schwestern von Ewigen Anbetung, bei allen kontemplativen Orden aber  auch im allgemein kirchlichen Leben hat die Eucharistische Anbetung eine besondere Bedeutung. Dies kommt u. a. beim Fronleichnamsfest besonders zum Ausdruck oder im sogenannten 40-stündigen Gebet, das in vielen Pfarren gepflegt wird. In unserer Diözese hat Erzbischof Andreas Rohracher 1948 eine Ewige Anbetung eingeführt, in die die meisten Pfarren durch einen halben oder einen ganzen Tag im Jahr eingebunden sind. 

Nach dem Konzil ist das Gespür für die Anbetung etwas geschwunden, nämlich durch Ausuferungen und auch Fehlentwicklungen in der sogenannten Liturgiereform. Es kam ein gewisser Aktivismus, die Tendenz, dass die Gemeinde sich selbst feiert, ein gewisses Verdunsten des Glaubens an die Realpräsenz, eine allgemeine Verflachung. Man hat die Messe oft eher als bloßes Mahl verstanden und den Opfercharakter hintangestellt. Daher ist auch das Gespür für das Heilige und Kontemplative und damit auch das Verständnis für die  Anbetung etwas verloren gegangen!

Rahm: Wäre dann die Anbetung sozusagen ein wichtiger Faktor in einer von vielen als notwendig erachteten Reform der Reform in der Liturgie?

Steinwender: Das ist so! Das haben wir in der Pfarre bereits erfahren. Die Gottesdienste sind tiefer und wesentlicher geworden, der Kommunionempfang ehrfürchtiger, viele Gläubige sind innerlicher dabei! Dazu trägt auch der Rosenkranz, den wir an Sonntagen vor der Messe beten bei. Der Rosenkranz ist diesbezüglich nach der Anbetung ein unverzichtbar wertvolles geistliches Mittel.

Rahm: Haben Sie Unterstützung bzw. Interesse von auswärts erfahren?

Steinwender: Es gab bzw. gibt ein hohes Maß an Desinteresse bei „Berufenen“ und zugleich ein großes Interesse bei einfachen Gläubigen. Weihbischof Hansjörg Hofer hat damals mit uns die Eröffnung gefeiert, er ist ja ein Zillertaler und war gerade auf Urlaub da. Ansonsten gab es von oben, also von diözesanen Ämtern und der Leitung, kaum Interesse, Freude oder Wertschätzung. Dies war auch beim 10-jährigen Jubiläum der Fall. Der eigenen Kirchenzeitung war es nur ein sehr bescheidener Bericht wert, andere Medien nahmen dies interessiert auf und berichteten sehr ausführlich.

Beim seinerzeitigen Zukunftsprozess der Erzdiözese Salzburg im Jahre 2018 hatten wir als Seelsorger unseres Dekanates u. a. auch einen Antrag zum Thema „Liturgische Erneuerung – Reform der Reform“ eingebracht und in diesem die Förderung der eucharistischen Anbetung (wöchentlich ein Tag pro Pfarre und eine ewige Anbetung pro Dekanat) vorgeschlagen. Dieser Antrag wurde von einigen unterstützt, fand aber keine Mehrheit.

Das Interesse bzw. Desinteresse spiegelt die innerkirchliche Situation wieder.

Eine Ausnahme bildete damals Erzbischof Georg (Erzbischof von 1919-2002), der damals allerdings schon im Ruhestand war.  Als er über unseren Pfarrbrief erfuhr, dass wir die Ewige Anbetung planen und sozusagen damit schon im Finale sind, hat er zum Hörer gegriffen und sich überschwenglich bedankt.

Es gab und gibt jedoch ein hohes Maß an Interesse von einfachen Gläubigen und auch Suchenden. Hier gibt es eine wachsende Sehnsucht, den Glauben wieder ernsthaft zu leben, eine Sehnsucht nach dem Heiligen. So kam einmal ein Mesner aus Südtirol und erkundigte sich, wie man so etwas angeht, es kamen Pfarrgemeinderäte aus dem Pinzgau, interessierten sich dafür und luden mich zur Information in ihre Pfarren ein. Eine große Freude ist es, dass jetzt in der Pfarre Altenmarkt eine ewige Anbetung eingeführt wurde, genau an unserem 10-jährigen Jubiläum. So haben wir jetzt eine Anbetungspartnerpfarre. Manchmal treffe ich Urlauber, die deswegen kommen, weil hier das geistliche Angebot von Messen und Anbetung eben gut ist.

Rahm: Eine besondere Situation entstand ja in der Kirche, als die Coronazeit kam mit all den drastischen Maßnahmen. Wie ist die Pfarre Zell damit und auch mit der Anbetung zurechtgekommen?

Steinwender: Für uns in der Pfarre war einfach klar: In einer Krisensituation ist Gott, der Glaube, das Gebet noch wichtiger. Deswegen haben wir keine Gläubigen weggeschickt, versucht, statt Angst Hoffnung zu verbreiten und manche Angebote noch verstärkt. So haben wir z. B. im Mai 2021 in fünf Kirchen der Pfarre im Blick auf die prekäre Situation an allen Tagen im Mai Maiandacht gehalten. Nebenbei bemerkt, ich habe mehrmals Geldzuweisungen an die Pfarre als sogenanntes Coronageld zurückgewiesen.

In dieser Zeit gab es natürlich Schwierigkeiten mit Vorgesetzten, Ermahnungen, Drohungen mit kirchenrechtlichen Konsequenzen und diverse Aufforderungen, z. B. beim Kommunionausteilen Masken zu tragen.

Wir haben die ewige Anbetung in Stille weitergeführt, wobei wir ein paar Lücken in Kauf genommen haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Anbetung und eben auch die Beibehaltung in dieser schwierigen Phase uns, d. h. sehr vielen Leuten geholfen hat. Es hat viele Menschen gestärkt, ermutigt, Ängste verringert, geschützt und auch Kraft gegeben, schwierige Situationen durchzuhalten.

Rahm: Warum haben Sie in den Messen und auch beim Kommunionausteilen keine Maske getragen?

Steinwender: Erstens habe ich mich nicht gefürchtet. Zweites habe ich nicht geglaubt, dass die Masken vor Ansteckung schützen, was ja inzwischen erwiesen ist. Drittens habe ich mir generell nicht vorstellen können, mit einer Maske zu beten, weil ich Gebet als ein Gespräch mit dem Herrn verstehe. Vor dem Herrn das Gesicht zu verbergen ist eigentlich eine Deformierung des religiösen Aktes, wie ich es auch einmal ein einer Predigt ausdrückte. Dass man den Eindruck vermittelte, dass ausgerechnet das Austeilen des real gegenwärtigen Herrn eine Gefahrenquelle bilden sollte, hat mir zutiefst widerstrebt. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, vor dem Herrn zu verweilen und beim Anbeten das Gesicht zu verbergen, habe es aber natürlich toleriert, wenn jemand dies tat. 

Rahm: Nochmals zum Wesen der Anbetung. Das Zillertal wird oft als das aktivste Tal der Welt bezeichnet, was man ja tatsächlich beobachten kann. Es gibt hier wirklich ein hohes Maß an Aktivitäten und einen immensen Fleiß. Wie ist es möglich, dass gerade hier eine Ewige Anbetung fußfassen konnte? 

Steinwender: Das mit der Aktivität hat sicher einiges auf sich, der Fleiß ist auch eine besondere Gabe, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das auch auf frühere protestantische Einflüsse zurückzuführen ist.

Andererseits könnte man auch sagen, dass dort, wo die Aktivität größer ist, das Bedürfnis nach Kontemplation größer ist. Das können wir ja auch innerkirchlich beobachten, wo jetzt durch den nachkonziliaren Aktivismus im einfachen Volk wieder die Sehnsucht nach dem Kontemplativen steigt.

Außerdem kann man sagen, dass die Anbetung – natürlich auf geistlichem Gebiet verstanden – höchste Form der Aktivität ist, weil ER selbst aktiv ist. In diesem Sinne kann die Anbetung menschliche Aktivitäten in rechte Bahnen lenken oder in diesen halten und gleichzeitig diese Aktivitäten spirituell übersteigen. Dann ist das Zillertal auch kontemplativ am „Aktivsten“!

Rahm: Wie organisiert man so einen Betrieb Ewiger Anbetung?

Steinweder: Wir haben zunächst Bereitschaften eingesammelt. Das heißt: für jede der 168 Wochenstunden ist eine konkrete Person zuständig. Die meisten Anbeter haben eine fixe Wochenstunde, einige haben sogar mehrere Stunden und dann gibt es einige Paketlösungen, wenn so z. B. eine Kartenrunde oder ein Chor etc. gemeinsam eine Stunde übernimmt, die dann abwechselnd von einem aus dieser Gruppe wahrgenommen wird. Dann gibt es noch eine Liste mit Namen, die bereit sind, bei Ausfällen einzuspringen.

Für alle sieben Tage der Woche gibt es je zwei Tagesverantwortliche. Wenn jemand ausfällt, dann sucht er selbst eine Vertretung, wenn er niemand findet, dann ruft er den Tagesverantwortlichen oder die Pfarrsekretärin an, die dann einen Ersatz besorgen.

Rahm: Wer sind eigentlich die Anbeter? Gibt es bestimmte Personengruppen, die besonders dafür geeignet scheinen, für die es besonders wichtig, gut oder angemessen ist? Gibt es Gruppen, die sich besonders darum bemühen oder sich da eben herauskristallisieren?

Steinwender: Es gibt überhaupt keine besonderen Gruppen. Die Anbeter spiegeln eigentlich die ganze katholische Bandbreite wieder. Alte und Junge (gegenwärtig zwischen 18 und 96 Jahren), Männer und Frauen, Intellektuelle und einfache Leute, Studenten, Arbeiter, Hausfrauen, Unternehmer, oder z. B. ein Bürgermeister oder ein Ministerialrat, Einheimische und Auswärtige, die ganze katholisches Vielfalt ist hier gegenwärtig.

Rahm: Warum ist es notwendig, dass Anbeter eine fixe Stunde übernehmen, also eine Pflichtstunde? Ist das heutzutage nicht schwierig, Menschen zu verpflichten?

Steinwender: Pflichtstunden sind einerseits wichtig, damit immer jemand da ist, damit das Allerheiligste ausgesetzt bleiben kann, damit eben jeder zu jederzeit auch anbeten kann.

Andererseits kann man sagen, dass die Pflicht zum großen Geschenk werden kann. Viele Anbeter haben mir gesagt, dass sie eine Stunde als Pflicht übernommen haben, bald haben sie sich an den Rhythmus gewöhnt und allmählich ist ihnen diese Stunde zu einer Art besonderem Geschenk geworden. Jetzt würden sie dies – eben ihre Stunde – nicht mehr hergeben.

Der Gedanke einer Pflicht ist ja ein Ausdruck der Liebe. Wer verliebt ist, nimmt sich nicht nur dann Zeit, wenn er sonst nichts Besseres zu tun hat oder wenn es ihm gerade Spaß macht, sondern aus Liebe bzw. Treue. Und gerade durch die Treue wächst eine Liebe, die dann viel tiefer und beständiger wird.

Rahm: Sind die Nachtstunden nicht ein große Hürde?

Steinwender: Interessanterweise war es gar nicht so schwierig. Es ist auch durchaus biblisch, schließlich wissen wir von Jesus, dass er sich immer wieder des Nachts zurückzog, um alleine zum Vater zu beten. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass eine Nachtstunde etwas Besonderes ist, einerseits natürlich eine Herausforderung, aufstehen und hinfahren, andererseits aber die Erfahrung einer besonderen Atmosphäre. Eine junge Frau sagte mir einmal, dass sie bewusst eine Nachtstunde nehme, weil sie dann alles, was sie hier mit dem Herrn bespricht und auch empfindet, mitnimmt in den Schlaf, sodass es nicht durch nachfolgende Tätigkeiten irgendwie verschluckt wird.

Rahm: Das ist ein sehr schönes Zeugnis, aber kann es nicht auch sein, dass jemand die Erfahrung macht, dass er bei der Anbetung da ist, betet und dabei nichts spürt, was ist dann?

Steinwender: Das kann oft der Fall sein, aber das ist eigentlich auch ganz normal. Es ist überhaupt wichtig auch bei liturgischen Feiern, dass man die Feier nicht nach dem Erlebniswert bemisst und auch nicht das Erlebnis anstrebt. Wenn man einmal nichts spürt und trotzdem aus Treue dableibt, dann kann es sein, dass gerade durch diese Treue die Gottesbeziehung sogar tiefer wird. Eine Trockenheit kann manchmal auch eine Vorstufe zu einem geistigen Aufstieg sein. Man lernt hier, unabhängig vom Gefühl in die Tiefe zu gehen.

Rahm:  Wenn jemand etwas Wichtiges oder Gutes tut, fragt er zumeist auch nach dem Ergebnis, nach den Früchten. Gibt es konkrete Früchte oder allgemeine positive Auswirkungen?

Steinwender: Der Anbeter will eigentlich – wie ein Verliebter – einfach beim Herrn sein. Dieses Verweilen bringt natürlich auch viele Früchte. Man kann hier sicher unterscheiden zwischen Früchten für den Anbeter, Früchte betreffend die Gebetsanliegen der Anbeter, Früchte für die Pfarre und darüber hinaus.

Rahm: Beginnen wir vielleicht mit den Früchten für die Anbeter.

Steinwender. Für den Anbeter ist sicher einmal eine Frucht, dass er in der Gottesbeziehung, im Gebetsleben auch im liturgischen Feiern innerlich wächst. Er kann persönlichen Schutz erfahren, Geborgenheit. Es kann ihm helfen, Entscheidungen besser zu treffen oder schwierige Situationen durchzuhalten. Manche Anbeter sagen, dass sie in dieser Zeit viele Inspirationen empfangen. Die Anbetung bewirkt Heilung und sicher auch eine Heiligung.

Rahm: Kann man Früchte für die gesamte Pfarre erkennen?

Steinwender. Es gib viele Früchte für die Pfarre. Jeder Beter befruchtet die Pfarre. Der geistliche Pegel steigt. So sind die Gottesdienste in dieser Zeit sicher tiefer und würdiger geworden. Durch die Anbetung wird der Sinn und das Wesen von liturgischen Feiern klarer und der Blick für das Wesentliche geschärft. Gerade in einer Zeit, wo die Folgen der Liturgiekrise da sind, ist die Anbetung eine große Hilfe, das Heilige in der Liturgie, die Ehrfurcht vor Gott etc. wiederzugewinnen. 

Die Anbetung wirkt sich sicher auch auf die religiöse Motivation aus, auf ein entschiedeneres Glaubensleben, für ein besseres caritatives Verständnis, auf die Tatkraft in verschiedenen Bereichen und vieles mehr. Allgemein kann man sagen, viele nehmen die Anbetung als eine Art geistliches Skyshield wahr. Der Himmel ist immer offen, daher ist immer ein gewisser Schutz da.

Die Anbetung ist auch dazu da, dass viele Leute sich mit Gebetsbitten an Anbeter wenden können oder dass einzelne im aufliegenden Fürbittenbuch ihre Anliegen deponieren können. Es wird hier auch deutlich, dass der eine, der gerade betet, für alle da ist, für alle den Himmel offen hält. 

Dann kann man auch sagen, dass so eine ewige Anbetung auch für die größere Region, für das Tal, die Diözesen und die Kirche insgesamt einfach eine Art geistliches Kraftzentrum mit großer Ausstrahlung ist. Sie ist wie ein Schlüssel zum geistlichen Leben des Einzelnen, ein Schlüssel für ein lebendigen Pfarrleben und auch ein Schlüssel für die Erneuerung der Kirche.

Die eigentliche Frucht ist sicher die, dass einfach Gott gelobt und verherrlicht wird, das hat einen tiefen Wert in sich. Gott zu verherrlichen ist die ureigenste Aufgabe, der eigentliche Sinn des menschlichen Daseins. Und das geschieht am tiefsten durch die Anbetung! Damit verbunden ist das ewige Heil des Menschen. Anbetung ist eigentlich ein Einüben in den Himmel!

Rahm: Zum Abschluss noch eine Frage: Was hat Sie am meisten gefreut beim Jubiläum? Haben Sie eine besondere Bitte im Herzen?

Steinwender:  Am meisten hat mich die Dankbarkeit so vieler Menschen für diesen Ort der Heilung und Heiligung und der Apostolische Segen von Papst Leo XIV. gefreut. Mein einziger Wunsch, dass uns der Herr weiter die Gnade schenkt, in dieser Form immer bei ihm sein zu können und dass viele Menschen diese Gnade erfahren dürfen!


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Lesermeinungen

 lamwool vor 4 Stunden 
 

Offen.

@Gebsy: Danke für den Link, hab ihn gelesen und auch die Bibelstellen. Auszug:
"aber eigentlich ist Anbetung doch die Huldigung, die Gott von Engeln oder Menschen gemeinsam dargebracht wird."
In oben beschriebener Anbetung ist aber jeweils 'nur' eine Person anwesend.
Sie sehen es bleibt die Grundfrage für mich offen: was ist der Unterschied von anbeten und beten?
Nach meiner Auffasssung ist der Inhalt von Beten, Lob und Preis, und Dank und Fürbitte.
Offenbar versteh ich einiges nicht. Sei's drum.
Gute Zeit


0
 
 Versusdeum vor 21 Stunden 
 

Was kann wirklich jeder von uns tun?

Richtig: (An-) Beten! Selbst, wer krank oder im Alter das Bett nicht (mehr) verlassen kann, kann im Gebet und im Aufopfern seiner Leiden den Himmel bestürmen. Denn nur noch Gebet kann den allgemeinen Irrsinn in Kirche und Welt und "das Schwert über unseren Häuptern" aufhalten.


1
 
 gebsy vor 26 Stunden 

Anbetung

ist die Verwirklichung der Liebe im Bereich des Ewigen, was uns schon im Irdischen geschenkt wird ...

@lamwool - ist dieser Link eine helfende Antwort?

www.bibelstudium.de/articles/2394/was-ist-anbetung.html


0
 
 lamwool vor 28 Stunden 
 

Fragen

Ich bin nicht so bewandert und frage hier deshalb, was der Unterschied ist von Anbeten zum Beten. Denn ich denke an die Worte Jesu, sinngemäss: 'Euer beten soll kurz sein und nicht viele Worte haben'. Und was wird in der An-betung angebetet? Bedeutet Beten nicht ZU Gott beten? Sie sehen, einige Fragen. Antworten interessieren mich sehr!
Ich sage Danke.


0
 
 gebsy vor 29 Stunden 

Gott ist alles in allem;

würde er uns einen Augenblick "vergessen", wäre alles im NICHTS ausgelöscht ...

Der Hinweis auf die verborgene Suche nach Anbetern ist wichtig und hilfreich.


1
 
 ab55 vor 34 Stunden 
 

DANKE!!!

Das ist ein sehr interessanter und mich vollständig überzeugender Artikel. Er steht - leider - ganz im Gegensatz zu einer sehr traurigen Erfahrung: vor etwa 45 Jahren wurde ich von meinem Pfarrer gebeten, den Kommunionhelfer-Kurs in unserem Vikariat zu besuchen. Da ich einem Priester kaum eine Bitte abschlagen kann, habe ich es gemacht. Den Kurs leiteten der Bischofsvikar für das Vikariat und ein 2. Priester. Eine teilnehmende Klosterschwester fragte, ob Kommunionhelfer auch das Allerheiligste aussetzen dürfen. Der Bischofsvikar erklärte die Regeln, der 2. Priester hinterfragte den Sinn der Aussetzung mit den Worten: "Brot ist zum essen da, nicht zum anschauen!" Ich war schockiert und wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. Daher Danke für das segensreiche Interview!!!


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