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Josef von Nazareth - Der Mann in der zweiten Reihe - Leseprobe 2

9. Juli 2022 in Buchtipp, 2 Lesermeinungen
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Leseprobe 2 vom neuen Buch von Karl-Heinz Fleckenstein


Linz (kath.net) 

EINE SCHICKSALHAFTE VORAUSSAGE

Josef, wie lief eigentlich die Darstellung Jesu im Tempel ab? Diese Bezeichnung mag für manche einen negativen Klang haben. Kinder sind doch keine Vorzeige­püppchen, die man „dar­stellt“. Auch das Jesuskind nicht!

Aber es ging gar nicht ums Vorzeigen, sondern darum, dass Jesus zum ersten Mal in das Haus seines himmlischen Vaters gebracht wurde. In den Tempel. Vor Gottes Angesicht, weil er, wie alle Erst­geborenen Gottes Eigentum war. Zunächst galt eine Frau nach der Geburt eines Sohnes als unrein und verblieb insgesamt 40 Tage nach Levitikus 12,2-4 in einem Status der Reinigung. Erst nach dieser Phase durfte sie wieder zum Tempel gehen und für sich von einem Priester ein Versöhnungsopfer" darbringen zu lassen. Nun war es so weit. Als ich an jenem Morgen den Hahn krähen hörte, fuhr ich erschrocken hoch. Hatte ich verschlafen? Nein, die Sonne ging gerade erst auf. Das war gut so. Wollte ich doch mit Maria und dem Kind zum Tempel nach Jerusalem ziehen. Nun war es an der Zeit, dass wir dem Allmächtigen unser Opfer darbrachten.

Ein Schaf und eine Taube. Ich zog mein kleines Geldsäckchen unter meinem Nachtlager hervor und öffnete es. Groß war es nicht und auch nicht dick. Ich überschlug, wie viel drinnen war. Traurig blickte ich zu Maria hinüber, die Jesus gerade stillte. „Gerne hätte ich heute Gott ein Schaf geopfert. Aber wir können es uns nicht leisten. Die Münzen reichen gerade, um zwei Tauben zu kaufen. Gott sei Dank sagt das Gesetzt, dass für weniger begüterte Menschen ersatzweise zwei Turteltauben oder andere Tauben genügen. Ich war ja seit über 45 Tagen nicht mehr in Nazareth bei der Arbeit. Auch wenn ich in Betlehem zwischenzeitlich so manche Gelegenheitsarbeit finde, kommen wir geradeso  über die Runden.“ Maria nickt nur stumm. „Der himmlische Vater weiß, dass wir nicht reich sind.“ Sie streichelte Jesus über sein Köpfchen, während der Kleine angestrengt vom Stillen schnaufte. Dann machten wir uns auf den Weg in das nahe gelegene Jerusalem.

Habt ihr dort eure Opfergabe gekauft?

Ja. Ich erstand zwei weiße Täubchen. Nun begaben wir uns an die Ostseite des Tempels beim Nikanortor. Ein Priester eilte herbei. Maria überreichte ihm die beiden Täubchen als Reinigungsopfer. Der Priester schlachtete sie und besprengte anschließend Maria mit dem Blut. Dann traten wir in Begleitung des Priesters in den weiteren Bereich der Tempelanlage. Im Vorhof der Frauen blieb Maria mit dem Kind auf dem Arm stehen. Der kleine Jesus war nun aufgewacht. Mit erstauntem Blick wendete er sich dem Priester zu. Dieser nahm das Kind und hob es mit ausgestreckten und zum Tempel hingewandten Armen empor. Neugieriges Volk stand umher. Plötzlich verschaffte sich zwischen den Leuten ein gebeugter, hinkender Greis Platz.


Er musste sehr alt sein; denn er stützte sich auf seinen Stab. Ich schätzte ihn auf über achtzig. Er näherte sich Maria und bat sie, ihm für einen Augenblick den Kleinen zu geben. Lächelnd erfüllte Maria seinen Wunsch. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah, als der Alte freudestrahlend und mit glänzenden Augen zärtlich das Kind in die Arme nahm und es küsste. Jesus lächelte ihm zu, mit dem Gesichtsausdruck, der Säuglingen eigen ist. Und doch mehr: berührende Nähe. Fast Intimität strahlte von dem Kind aus. Es schien, als beobachte das Baby den ehrwürdigen Greis neugierig; denn dieser weinte und lachte zu gleicher Zeit. Tränen flossen aus seinen Augen und fielen glitzernd auf seinen langen, weißen Bart, nach dem Jesus seine Händchen ausstreckte. Dann begann der Alte zu singen.

Und was sang er da?

Kein Lied, das wir kannten, kein Lied, das er irgendwann einmal gelernt hatte, sondern ein neues Lied, das der Heilige Geist ihm eingab: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden“, sang er. Denn nun war der Retter da. Gott hatte sein Versprechen wahr gemacht. Der alte Mann verstand: Wenn ich Jesus als den Retter erkenne und an ihn glaube, kann ich in Frieden sterben. Sei es in der Jugend oder im Alter. Sei es im Bett oder im Straßen­graben. Sei es sanft oder unter großen Schmerzen. „Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen“, sang der Greis weiter.

Woher wusste eigentlich der alte Mann, dass dieses kleine Kind der Messias war? Woher, dass eure Familie eben zu diesem Zeitpunkt an eben diesem Ort auf dem riesigen Tempelbezirk war? Wer überhaupt in aller Welt war dieser Mensch?  

Wie sich herausstellte, hieß er Simeon. Er erzählte uns, wie es zu dieser Begegnung kam: Vor langer Zeit hatte er intuitiv durch den Heilige Geist verstanden, dass er nicht sterben werde, bevor er den Messias gesehen habe. Und so wartete er täglich auf sein Kommen. Doch an diesem Tag war alles anders. Er spürte, dass heute noch Großes geschehen werde. Wie von einem Magneten gezogen, trieb es den alten Simeon in den Tempel. Er spürte eine innere Unruhe, eine freudige Erregung. Er fühlte sich vom Geist Gottes getrieben. Er konnte nicht zu Hause sitzen bleiben. So schnell ihn seine alten Beine tragen konnten, lief er zum Tempel.

Er hatte gar kein Zweifel daran, dass dieses armselige Baby der versprochene Retter Gottes sein musste. Segnend verabschiedete sich der greise Simeon von uns. Dann drehte er sich noch einmal um und gab Maria ein paar rätselhafte Worte mit auf den Weg: „Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden“ (Lk 2,34–35). Auch wenn wir die Bedeutung dieser schockierenden Worte nicht verstanden, so hatte der Heilige Geist den alten Simeon wie durch einen Türspalt in die Zukunft schauen lassen. Maria näherte sich mir, um Trost zu finden und drückte in ihrem Schmerz das Kind an die Brust. Wenig später trat auch eine sehr alte Frau zu uns. Es war die Prophetin Hanna mit ihren 84 Jahren. Schon früh hatte sie ihren Mann verloren. Seither verbrachte sie Tag und Nacht im Tempel und betete dort sehr viel. Auch Hanna begann beim Anblick dieses Kindes Loblieder zu singen. Wie eine dürstende Seele trankt Maria die Worte der Greisin in sich hinein, die ihr voraussagte, dass der Ewige ihr die Stunde ihrer Leiden mit übernatürlicher Kraft lindern werde: „Frau, dem, der seinem Volk den Erlöser geschenkt hat, wird die Macht nicht fehlen, seinen Engel auszusenden, damit er dir in deinem Leid beistehe. Die Hilfe des Herrn hat den großen Frauen Israels nie gefehlt. Du bist viel größer als Judit und Rachel.“

Simeon und Hanna, zwei alte Menschen, die im Herzen jung geblieben waren, weil sie die Hoffnung in sich nicht sterben ließen. Simeon erkannte in diesem Kind die Erfüllung seines Lebens. All seine lebenslangen Sehnsüchte, Erwartungen und Hoffnungen wurden auf einen Schlag Wirklichkeit. Seine Augen sahen, wonach sie ein Leben lang Ausschau hielten. Jetzt konnte er endlich in Frieden sterben. Bei Hanna war es ähnlich. Ihr Leben verlief alles andere als glücklich. Sechzig Jahre lang aber war sie nun Witwe. Was damals so viel bedeutete wie sechzig Jahre Einsamkeit, Armut, ohne soziale Rechte, ohne gesellschaftliche Anerkennung. Also sechzig Jahre Nichts. Und jetzt sah sie ein Baby und wusste: Jetzt, nach sechzig Jahren Bedeutungslosigkeit bin ich endlich erlöst. Mein Leben hat wieder Sinn. Hanna und Simeon. Zwei alte Leute, die die längste Zeit ihres Lebens hinter sich hatten. Das meiste war gelaufen. Viel Überraschendes würde da wohl nicht mehr kommen. Aber beide lebten immer noch in der Erwartung. Sie hatten nicht aufgehört von Gott etwas zu erwarten.

Als Gottsucher. Deswegen waren sie täglich im Tempel, um ihre Erwartung wach zu halten. Mit der tiefsten Sehnsucht ihres Herzens, dass Gott schenkt, was sie erhofften und erträumten. Gleichzeitig wussten die beiden aus der langen Erfahrung ihres Lebens, dass man die wirklich wichtige und bedeutsame Dinge des Lebens nicht planen, nicht machen kann, sondern, dass man sie sich nur schenken lassen kann. Der Auslöser all dessen, war nur ein kleines Kind namens Jesus. Also wirklich nichts Besonderes. Und doch wirkte diese Präsentation wie ein Magnet: Die außerfamiliären fremden Menschen Simeon und Hanna öffneten sich für eine Begegnung. So Außergewöhnlich, als wenn in der Wüste Sahara plötzlich eine Blume erblüht. Für uns junge Eltern war das alles ein bisschen viel: die geheimnisvolle Schwangerschaft, die herausfordernde Geburt im Stall, der überraschende Besuch der Hirten und jetzt Simeon und Hanna. Uns blieb nur das Staunen.

kath.net Buchtipp
Josef von Nazareth - Der Mann in der zweiten Reihe
160 Seiten, Paperback 
Bernardus Verlag 2022
ISBN: 9783810703569
Preis: Euro 15,30


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Lesermeinungen

 Joachim Heimerl 14. Juli 2022 
 

Ein berührendes Buch,

das ganz anders ist als alle anderen Josephs-Bücher und den Leser unmittelbar anspricht. Ich habe es mit großer Freude gelesen und empfehle es ohne Einschränkung.


0
 
 11.07 9. Juli 2022 
 

Heiliger Josef bitte für uns!


1
 

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