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| 'Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatskleriker'6. September 2024 in Kommentar, 6 Lesermeinungen Kennen Sie das? Man will einen Bischof erreichen, stößt aber an eine Mauer aus Verwaltungspersonal. Zum Bischof selbst dringt man selten durch. In den Niederlanden ist das anders. Ein Ortsbesuch. - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt Regensburg (kath.net) Groß und mächtig hebt sich die Kathedrale in Haarlem aus braunem Klinker in den Himmel. Neugotik, Neoromanik, Jugendstil und Stilelemente der Amsterdamer Schule und der Berlage vereint das Gebäude mit der 65 Meter hohen Kuppel, das zu den fünf bedeutendsten Kirchen der Welt zählt, die zwischen 1850 und 1950 erbaut wurden. Über einige Stufen an der Rückseite der Kathedrale erreicht man den unscheinbaren Eingang zum Bischofssitz. Eine Frau kommt gerade zu Tür heraus. „Moment“, sagt die Frau, „ich zeige Ihnen den Weg““, sagt sie, als hätte sie den Besuch bereits erwartet. Über einen Flur geht es in den ersten Stock. Das Gebäude wirkt alt und erinnert an eine Schule mit vielen Klassenräumen. In einem Zimmer mit einem langen Tisch warte ich auf den Bischof. Stimmen dringen herüber „Jetzt schon?“ Eine leise Ahnung beschleicht mich. Ich habe einen Interviewtermin mit dem Bischof von Haarlem-Amsterdam, Jan Hendriks. Er hat sich mehrfach zum Synodalen Weg geäußert, hat eine Delegation von deutschen Bischöfen empfangen, die ins säkulare Nachbarland gereist sind, um zu erfahren, was auf die Kirche in Deutschland zukommen könnte, wenn der Abwärtstrend in puncto Glauben und Kirchenmitglieder sich fortsetzt, wie es auch in den Niederlanden passiert ist. Fast 60 Prozent der Niederländer sind konfessionslos, der Glaube an Gott und Jesus spielt kaum eine Rolle, die Kirchenbänke während der heiligen Messen zieren Grauschöpfe. Der Bischof tritt freundlich lächelnd ein. „Grüß Sie!“ Und dann wird aus der Ahnung Gewissheit: Der Termin war eigentlich morgen. „Habe ich mich wohl vertan?“ fragt der Bischof. „Oder ich?“ frage ich. Wie dem auch sei. Für Hendriks kein Problem. Aus seinen Augen blitzt Heiterkeit: „Ich bin grad mit den Büroarbeiten fertig. Ich habe Zeit.“ Alle Beteuerungen, ich könnte problemlos morgen noch einmal kommen, nützen wenig: „Wenn wir mehr Zeit brauchen, können Sie morgen gern nochmal kommen“, sagt er und führt mich ein Stockwerk höher in ein großes altmodisch eingerichtetes Wohnzimmer und bietet mir etwas zu trinken an. Wir machen es uns auf den Couchen gemütlich. Was in den Niederlanden normal ist, klingt in deutschen Ohren nahezu unglaublich: Nicht der Sekretär oder eine Vorzimmerdame kommt, um die Lage zu besprechen, sondern der Bischof persönlich. Er nimmt sich spontan Zeit und wirkt alles andere als unter Strom. Schon die Kontaktaufnahme war ungewohnt lässig und einfach. Kurz nach dem Versenden der Anfrage flatterte die Antwort ins Postfach — vom Bischof persönlich und vom Smartphone aus versendet. Fernab aller hochoffiziellen Wortakrobatik kommunizieren wir — so ganz normal und auf Augenhöhe, bisweilen sms-artig. In Deutschland wäre das ein Ding der Unmöglichkeit — selbst wenn der Terminkalender es zuließe, würden Sekretär oder Sekretärin den Bischof wie eine Leibwache vor Besuchern schützen. Bevor die bürokratische Hürde nicht genommen ist, gibt es auch keine Eintrittskarte. Den niederländischen Bischof umgibt kein bombastischer Apparat aus Verwaltungs-, Orqanisations- und Presseleuten; es gibt au in den Niederlanden hier und da ein Pressebüro, aber einfache Gläubige machen mit ihren Bischöfen mehr persönliche Erfahrungen als in Deutschland, wo der Bischof oft so weit weg scheint wie ein Regierungschef oder Präsident; Man muss sich erst mühsam durch Telefonleitungen und Email-Stapel arbeiten, bis man irgendwann hoffentlich eine Message vom Bischof über einen Dritten übermittelt bekommt. Und hat man doch mal einen direkten Draht zum Hirten, erfährt sein Pressebüro sowieso von der Kommunikation — das selbige um einen Rüffel bereichert, bitte künftig den offiziellen Weg zu benutzen. Verständlich, angesichts der Strukturen. Die Zeiten, in denen ein Gläubiger mit dem Bischof einen Kaffee trank, sind lang vorbei. Schafe und Hirte trennt heute ein dicke Mauer aus Menschen. Hirten weiden ihre Schafe, beschützen sie, weisen den Weg. Nach den Worten von Papst Franziskus sollen die Hirten ihrer Herde so nahe sein, dass sie „den Geruch der Schafe“ annehmen. Priester müssten in der Lage sein, „die Herzen der Menschen zu erwärmen, in der Nacht mit ihnen zu gehen.“ Denn „das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatskleriker“. Gerade die letzten Worte scheinen wie für Deutschland gesprochen zu sein, hat sich im Zuge des Synodalen Weges doch gezeigt, wie sehr die Kirche hierzulande zur Funktionärskirche degradiert ist, in der die letzten Glaubensreste von einem gewaltigen Apparat verwaltet werden. Dass ein Bischof in den Niederlanden leichter erreichbar und dichter am Volk ist als in Deutschland, liegt nach Meinung von Niederländern selbst auch daran, dass die niederländische Kirche keine Kirchengelder und Subventionen der Regierung einstreichen und sich keinen so großen Verwaltungsapparat leisten kann. Sie ist angewiesen auf Menschen, die sich in den Pfarreien einsetzen und auf Gläubige, die den Glauben mit den Geistlichen leben und weitergeben — und freiwillige Beträge in beliebiger Höhe zahlen. Die Kirche in den Niederlanden kann also nicht auf ein dickes finanzielles Polster zurückfallen, sondern auf treue Gläubige. Besonders jungen Menschen kehren zurück zu den Wurzeln unsere über 2000 Jahre alten Glaubens, einer Tradition, Geschichte und voller geistlicher Schätze, in die sich einzutauchen lohnt wie in die kunst- und geschichtsträchtige Kathedrale Haarlems, deren grüne Kuppel so hoch ist wie die des Petersdoms in Rom — eine schöne Verbindung zur Wiege unseres Glaubens. Nahe des Eingangs findet sich ein Glasmosaik zum Thema „Der gute Hirte“. Hendriks wirkt tatsächlich wie ein guter Hirte und wird auch von Gläubigen geschätzt: „Ein treuer Mann des Glaubens, sehr freundlich“, sagte ein Niederländer. Im Bistum Haarlem-Amsterdam gibt es zahlreiche Bekehrungen, auch von Moslems. In diesem Jahr sind es 250, „Tendenz steigend“, so Hendriks. Das war nicht immer so. Zur Zeit des Pastoralkonzils in den Niederlanden Ende der 1960er Jahre standen auch die Bischöfe dort unter Druck, wie sie jetzt in Deutschland unter Druck stehen. Damals reagierten die dortigen Bischöfe mit Verweltlichung auf Verweltlichung. Die Folge waren enorme Spaltungen unter Geistlichen und auf der Ebene der Weltkirche und eine rasch zunehmende Säkularisierung, die bis heute das Land fest im Griff hat. Was zeigt uns das? Die Kirche braucht gute Hirten! Echte Hirten nach dem Vorbild Jesu, die ihre Herde führen. Nach Papst Franziskus müssen Hirten und Priester hinausgehen. Der „Priester, der … nicht aus sich herausgeht“ werde allmählich zum Verwalter, der, da er seine Haut und Herz „nicht aufs Spiel“ setze, auch „keinen liebevollen Dank, der von Herzen kommt“ empfange — für ihn ein Grund für die Einsamkeit, Traurigkeit und Unzufriedenheit unter Geistlichen. fordert, dass Bischöfe „Hirten inmitten ihrer Herde und Menschenfischer“ sein sollen, fähig, Menschen zu begleiten „wie der gute Samariter, der seinen Nächsten wäscht, reinigt, aufhebt“. Und der Canonische Codex spricht von Lehrern des Glaubens, Priestern des heiligen Gottesdienstes und Dienern in der Leitung. In den Niederlanden kommt ein Bischof auch mal eben zu Treffen von geistlichen Gemeinschaften, um die heilige Messe zu feiern. Das Gespräch mit Bischof Hendriks ist pünktlich beendet, bevor er aufbrechen muss. Da ich Haarlem noch nie gesehen habe, lädt er ein, ihn ein Stück des Weges zu begleiten. Er würde mir dann den Weg ins Zentrum zeigen. Wir gehen zu Fuß, am Kanal entlang, mit der Kathedrale im Rücken. Die Frage bleibt: Ist der deutsche Verwaltungsapparat Fluch oder Segen? Ist dies auch ein Grund dafür, dass die Hirten in Deutschland so unnahbar scheinen? Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der katholischen Kirche in Deutschland und den Forderungen der Laien nach Leitungskompetenzen, die die Bischöfe ins Abseits zu drängen drohen, scheint eine entscheidende Frage auch zu sein: Lassen sich Gläubigen überhaupt führen von ihrem Hirten? „Werdet wie die Schafe“ will man ausrufen, angesichts der Bestrebungen Besonderes und allgemeines Priestertum in einen Topf zu werfen und die Geistlichen nach dem eigenen Willen herumzuscheuchen. Damit Bischöfe ganz Hirten sein können, brauchen sie Gebet und Zuspruch von uns Gläubigen sowie den Willen, sich führen zu lassen. Gläubige müssen das Hirtenamt wieder erkennen als das, was es ist: Die Nachfolge des ersten Hirten, Jesus selbst, „in dem Gott selbst sich um sein Geschöpf Mensch kümmert, die Menschen zusammenholt und sie zur wahren Weide führt“, wie Benedikt XVI. es sagte. Es braucht also gemeine Anstrengung von Laien und Geistlichen. Bischöfe mit lehramtsfernen Forderungen unter Druck zu setzen hat in den Niederlanden nur noch mehr Säkularisation gebracht und zahlreiche Gläubige gekostet. Bischof Hendriks lehnt sich leise seufzend ins Sofa, blickt ins Weite und sagt: „Ich hoffe, dass die deutschen Bischöfe aus den Fehlern der Niederländer lernen.“ Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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