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„Die Lukas-Ikone“: Der Urknall der christlichen Bilderwelt

13. Juni 2024 in Interview, 3 Lesermeinungen
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Paul Badde über sein neustes Buch: „Dieses Buch ist wohl mein Lebenswerk. Denn die Ikone, der ich es gewidmet habe, ist ein verborgenes Weltwunder und der leise Urknall aller christlichen Malerei.“ kath.net-Interview von Verena Fabekovec


Rom (kath.net) Die die „Lukas-Ikone“ („Advocata“) „ist die erste und älteste aller Ikonen. Sie … stammt aus der Hand des Evangelisten Lukas“. Das erläutert der bekannte Journalist, Sachbuchautor und Filmemacher Paul Badde im kath.net-Interview. Er hat soeben ein Buch über die Lukas-Ikone herausgebracht.

Verena Fabekovec: Lieber Herr Badde. Ihr neues Buch über die „Lukas-Ikone“ wird in der Vorankündigung als Ihr Lebenswerk, als „Urknall“ bezeichnet, im Untertitel gar als „Weltwunder“.  Sie haben, wenn ich es so sagen darf, mit Ihren Büchern über Guadalupe und insbesondere das Volto Santo ja schon zwei echte „Knaller“ veröffentlicht. Sind diese Superlative also gerechtfertigt?

Paul Badde: Es stimmt, dieses Buch ist wohl mein Lebenswerk. Denn die Ikone, der ich es gewidmet habe, ist tatsächlich ein verborgenes Weltwunder und der leise Urknall aller christlichen Malerei. Nun bin ich ja kein Romancier, sondern Reporter. Die anderen Bücher, die Sie erwähnen, habe ich deshalb gleichsam wie ein Kind oder ein Schlafwandler über das geschrieben, was ich gesehen und erlebt hatte und bezeugen konnte, und habe erst nachher schweren Widerstand dagegen erfahren. Das war bei diesem Buch vollkommen anders.

Fabekovec: Was macht diese Lukas Ikone so besonders, um mit so vielen Superlativen beschrieben zu werden?

Badde: Sie ist die erste und älteste aller Ikonen. Sie ist der Ursprung und stammt aus der Hand  des Evangelisten Lukas.

Fabekovec: Wie kam es dazu? Und was macht Sie da so sicher?

Badde: Als der Apostel Johannes im Jahr 48 zum Apostelkonzil nach Jerusalem kam, ließ er Maria selbstverständlich nicht auf dem Nachtigallen-Hügel bei Ephesus zurück, wo er damals zusammen mit ihr lebte. Sie begleitete ihn also zum Zionsberg, wo sie auch entschlief, wie es die Jerusalemer Ortstradition festhält.  Vor allem aber hält dies das Grab Marias am Fuß des Ölbergs fest, das es nur dort gibt, sonst nirgends auf Welt. Auf dem Apostelkonzil hat Paulus mit seinen Gefährten, unter denen sich sicher auch Lukas befand, also Maria kennen gelernt. Das war die Voraussetzung zur Entstehung der „Advocata“, wie die Ikone in Rom heißt.

Fabekovec: Wann haben Sie das erste Mal von der Advocata gehört?

Badde: Das kann ich genau sagen. Unmittelbar vor unserem Aufbruch und Umzug nach Rom hatte ich am 10. Februar 2002 in Jerusalem in dem syrisch-orthodoxen Markuskloster in der Araratgasse Nr. 5 das Foto einer bewegenden Marien-Ikone gemacht und am Abend auf dem Zionsberg von dem polnischen Experten und Benediktinermönch Bernhard Maria Alter in der Dormitio Abtei erfahren, dass diese „Lukas-Ikone“ auf Hirschleder aus dem 6. Jahrhundert stamme. An dem Abend hat er uns auch aufgetragen, in Rom auf dem Monte Mario die älteste aller Ikonen  zu suchen, die dort „Advocata“ heiße.

Fabekovec: Sie haben 20 Jahre an diesem Buch gearbeitet. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie nun dieses Buch der Öffentlichkeit übergeben?

Badde: Das hat viele Gründe, über die sich ein eigenes Buch schreiben ließe. Der wichtigste Grund ist aber folgender: ich musste dieses Buch gegen meine eigene Überzeugung zu Ende schreiben. Denn ich konnte mir viele Jahre nie und nimmer vorstellen, dass der Evangelist Lukas diese Ikone „geschrieben“ haben sollte. Der Anspruch schien mir vollkommen vermessen! Im Grunde hat mir also erst der Prozess des Schreibens klar gemacht, dass es zu der Autorenschaft des Lukas keine vernünftige Alternative gibt. Trotz mancher Fragwürdigkeiten der Legende um Lukas schließe ich mich damit am Ende der Überzeugung der wenigen gläubigen Nonnen auf dem Monte Mario an – gegen die gesamte Fachwelt. Das ging nicht von heute auf morgen. Oben erwähnte ich schon die großen Widerstände auf einige meiner früheren Bücher, die ich alle mehr oder weniger leichthin geschrieben habe. Hier hingegen gab es fast kosmische Widerstände in all den Jahren gegen dieses Buch, während ich es schrieb!


Fabekovec: Diese Lukas-Ikone ist, um bei den Superlativen zu bleiben, eine Sensation – und doch so unbekannt. In Ihrem Buch verweisen Sie auf die Abgelegenheit und die Klausur der Schwestern, die nur den Besuch am frühen Morgen ermöglichen. Aber bei einem solchen Schatz dürfte selbst das kein Hindernis sein. Gibt es Ihrer Meinung nach noch andere Gründe, dass so wenig über die Advocata bekannt ist und nicht massenhaft Pilger zu ihr strömen?

Badde: In Rom gab es lange Zeit eine Art Konkurrenz verschiedener Orden und Heiligtümer untereinander um die Frage, welche von ihnen wohl die vornehmste Marien-Ikone besitze. Diesen Wettbewerb, an dem sich die Advocata schon lange nicht mehr beteiligt, hat eindeutig die Basilika Santa Maria Maggiore auf dem Esquilin-Hügel gewonnen, wo in einer prächtigen Seitenkapelle eine Ikone verehrt wird, die den Ehrentitel „Salus popoli Romani“ (Heil des Römischen Volkes) trägt. Auch sie beansprucht, eine Ikone des heiligen Lukas zu sein, obwohl die Madonna hier einen etwa dreijährigen Jesus auf dem Schoß hat. So aber kann sie dem Evangelisten zu ihrer Lebenszeit natürlich niemals als Modell gedient haben – Lukas hat Maria ja, wie ich schon sagte, erst im Jahr 48 kennen gelernt, rund 15 Jahre nach dem Tod, der Auferstehung und  der Himmelfahrt ihres Sohnes.

Fabekovec: Sie haben den inneren Zusammenhang zwischen Volto Santo und der Advocata in Ihrem Buch erwähnt. Eine Reihe von Ikonen, allesamt spätere Kopien der Advocata, sollen es in den Händen der Gottesmutter zeigen. Dennoch ist das „Lichtbild“ aus Manoppello auf diesen Ikonen stets gefaltet dargestellt und lässt sich nur erahnen. Wie erklären Sie es sich, dass es keine Ikone mit dem ausgebreiteten Muschelseidentuch gibt – wir kennen dieses Motiv nur im Zusammenhang mit der Kreuzwegstation und dem Schweißtuch der Veronika, welches bekanntermaßen tatsächlich nichts weiter als eine Legende ist.

Badde: Als die Ikone der Advocata im Jahr 1960 in Rom restauriert wurde, fanden die erfahrenen Restauratoren an ihrer linken Hand einen weißen Farbfleck, den sie als den Rest eines ursprünglichen „Schweißtuchs“ deuteten. Das passt wie ein fehlendes Puzzle-Teil zu einem uralten Bericht über Maria aus dem Katharinenkloster auf dem Sinai, dass sie bis zu ihrer Entschlafung immer das Schweißtuch aus dem Grab ihres Sohnes vor sich aufgespannt habe, um davor zu beten. Natürlich ist es auch völlig plausibel, dass dieser kostbare Schleier nach der Himmelfahrt Christi ganz in den Besitz seiner Mutter überging. Das Schleierbild Christi war jedenfalls das markanteste Attribut, mit dem Lukas sie abbildete, als er sie im Jahr 48 auf dem Apostelkonzil auf dem Zionsberg traf. Dass er diesen Schleier nicht ausgespannt darstellte, hängt wohl mit der changierenden Natur des Schweißtuchs zusammen, das in jedem Licht und aus jedem Winkel anders ausschaut und doch immer identisch bleibt. Mit dem Antlitz Marias malte Lukas ein Ebenbild Gottes! Das war zu der Zeit in Jerusalem ein ungeheurer Tabubruch, der ihn allein schon komplett herausforderte. Unter russischen Ikonen gibt es aber einen rätselhaften ganz eigenen Typus, wo die Gottesmutter in der Haltung der Advocata abgebildet wird, mit einem kostbaren transparenten Schleier, der hier gefaltet über der linken Herzenshand liegt.

Fabekovec: In Ihrem Buch liefern Sie einige schlüssige Argumente dafür, dass Lukas tatsächlich ein „Portrait“ der Gottesmutter angefertigt haben könnte. Nun gibt es – wie schon erwähnt - ja einige Ikonen, die dies auch für sich in Anspruch nehmen. Ist Ihrer Meinung nach die Advocata die Einzige von Lukas geschriebene Ikone?

Badde: Lukas hat nur eine einzige Ikone gemalt und nicht etwa zwei oder drei. Keine Frage. Das ist diese Ikone. Sie stammt aus seiner Hand. Doch im Hauptberuf war er Arzt. Dass es so viele Kopien von seiner Ikone gibt, hängt auch mit der einzigartigen Bedeutung dieser Bildtafel zusammen. Sie war und ist das Maß.

Fabekovec: In Manoppello gibt es zahlreiche „Űbereinanderlegungen“ des Volto Santo über andere Ikonen, insbesondere über frühe Darstellungen des Mandylion oder Pantokrator-Ikonen also den frühesten Christusdarstellungen. Sicher ist das nicht eins zu eins vergleichbar, da die Advocata selbst ja schon „nur“ ein „gemaltes Bild“ ist. Dennoch müssten sich bestimmte Ähnlichkeiten nachweisen lassen, insbesondere mit dem Abbild in Absam bei Innsbruck, das bekanntlich während einer Marienerscheinung, also übernatürlich entstanden sein soll und  die über das, was mit bloßem Auge offensichtlich ist, hinausgehen. Gibt es in diese Richtung Erkenntnisse?

Badde: Besonders die Glas-Ikone aus Absam, die Maria selbst im Jahr 1797 in der Nähe von Innsbruck in einer Glasscheibe hinterlassen hat, gleicht der Advocata, doch ohne Farben. Der Mund, die großen Augen, die Haltung, selbst die Nase, die Ähnlichkeit ist groß. Nur das Licht fällt hier von links auf die Nase und nicht von rechts. Andere frühe Ikonen haben der Darstellung der Advocata den Stern auf der Stirn entlehnt oder das Maphorion. Das ist der Umhang, in den Maria hier ihr Haar verbirgt. Nur Marias Lebendigkeit auf dieser Ikone wird von keiner Kopie erreicht.

Fabekovec: Sowohl das Grabtuch in Turin, als auch das Volto Santo und die Tilma in Guadalupe wurden oft mit verschiedenen Methoden untersucht und es gibt zahlreiche Forschungsberichte darüber. Alle drei sind nicht von Menschenhand gemacht, was bei der Lukas Ikone ja nicht zutrifft. Erwarten Sie dennoch, dass auch hier, vor allem historisch, oder bezüglich der Datierung, in Zukunft in ähnlicher Weise geforscht werden wird?

Badde: Die akademischen Vorbehalte gegen Reliquien und Bilder sind in der modernen Theologie sehr groß. Dennoch trägt mein Buch viele triftige Argumente für die Datierung der Ikone ins Jahr 48 zusammen. Eine so genannte dendrochronologische Untersuchung der Bildtafel erwarte ich allerdings nicht vor dem Tag, an dem nicht auch der Kreuzestitel aus der Kirche „Santa Croce in Gerusalemme“ entsprechend untersucht wird, der beim derzeitigen Wissenstand als das älteste Schriftstück der Evangelien aus dem Jahr 33 gelten muss, das auf dem Golgatha festgehalten hat, dass Jesus von Nazareth dort als „König der Juden“ hingerichtet wurde.

Fabekovec: Inwieweit wird die Veröffentlichung Ihres Buches den Pilgerstrom auf den Monte Mario ziehen? Wären hunderte von Menschen täglich überhaupt vereinbar mit dem streng klausurierten Leben der Nonnen?

Badde: Gute Frage, die aber allein die Muttergottes selbst beantworten kann. Es ist möglich, doch nicht zwingend, dass mein Buch den Zauber des Heiligtums des Rosenkranzklosters für Pilger leider auch nachhaltig verändern könnte. Doch es ist so, dass die Dominikanerinnen, die die Ikone mit ihrem Gebet umhüllen, seit langem große materielle Not leiden, in der ihnen wohl nur mehr und großzügige Pilger helfen können.

Fabekovec: In vielerlei Hinsicht liest sich Ihr Buch nicht nur wie eine Suche oder Recherche, sondern wie eine innere Reise. Gestatten Sie mir eine persönliche Frage: Inwiefern hat diese äußere Suche und die Begegnung mit der Advocata Ihr Leben geprägt und verändert?

Badde: Ja, es konnte gar nicht anders sein, als dass ich in diese Recherche auch Teile meiner Biografie mit hinein verweben musste, die von dieser Suche geprägt wurde, bevor das Buch am Schluss zu einer Art Hymne auf das „Glück des Gebets“ wurde. Klar, dass dieses Werk deshalb mit einem Großteil der aktuellen Debatten der Kirche in Deutschland rein gar nichts zu tun hat bis vielleicht auf den Umstand, dass einer der frühesten Ehrentitel der Advocata der griechische Begriff „Hodighitria“ war. Das heißt: die Wegweisende. Wie in dem Wort Synode steckte auch in diesem Titel also das altgriechische Wort „hodós“ für „Weg“, auf den die Mutter hier verweist. Mit diesem Weg war ihr Sohn Jesus gemeint, der von sich selbst im Evangelium des Johannes sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

Fabekovec: Vielen Dank für das Interview, vor allem aber für das große Geschenk, das Sie der Kirche machen, indem Sie die Advocata bekannt machen, so wie Sie mit Ihren Veröffentlichungen über das Volto Santo viele Menschen auf Manoppello aufmerksam gemacht und ihnen dadurch einen tieferen Zugang zum Herrn ermöglicht haben.

Auf die Fürbitte der Advocata wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie Gottes Segen und dem Buch viel Erfolg.

Foto: Paul Badde vor der „Advocata“, der römischen Lukas-Ikone © Badde

kath.net-Buchtipp:
Die Lukas-Ikone
Roms verborgenes Weltwunder
Von Paul Badde
Hardcover, 272 Seiten; 27 Farbabb., 38 SW-Abb.;
2024 Christiana-Verlag
ISBN: 978-3-7171-1380-5
Preis Österreich: 20,40 €


Bestellmöglichkeiten bei unseren Partnern:

  • Link zum kathShop
  • Buchhandlung Christlicher Medienversand Christoph Hurnaus, Linz, für Bestellungen aus Österreich und Deutschland: buch@kath.net
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Lesermeinungen

 sivadach 13. September 2024 

@Fink

Dazu müssen Sie das wirklich spannende Buch lesen! Wozu P. Badde über 100 Seiten braucht, kann man nicht mit zwei Sätzen beantworten!


0
 
 mhesemann 15. Juni 2024 
 

Da liegen Sie falsch...

Das Christentum hat sich nie mehr an das jüdische Bilderverbot gehalten, seit Christus selbst am Ostermorgen zwei Bilder Seiner Selbst hinterlassen hat - das Negativbild auf dem Turiner Grabtuch, ins Leinen gebrannt durch das Licht der Auferstehung, und das Schleierbild von Manoppello, Sein Geschenk an Seine Mutter, die noch vor den drei Frauen an Sein Grab eilte. So haben die Christen nachweisbar schon im 2. Jahrhundert die Gottesmutter und das Jesuskind sowie den Guten Hirten in den ersten Katakomben gemalt, kannten sie (wie Eusebius von Caesarea berichtet) Portraits der Apostel Petrus und Paulus, die von Zeitgenossen aus der römischen Gemeinde gemalt wurden und wurde im 3. Jahrhundert in Nazareth - wie ein Pilgergraffito enthüllt - ein "Eikon", also eine Ikone der Gottesmutter verehrt. Da passt ein von Lukas gemaltes Marienportrait, um 48 entstanden, nahtlos in die Reihe!


1
 
 Fink 13. Juni 2024 
 

Das Bilderverbot des alttestamentarischen Judentums

Ich schätze die Ikonen der Ostkirche.
Ich schätze die Sendungen von Paul Badde im EWTN-Fernsehen.
Im Judentum wie in den ersten 200, 300 Jahren des Christentums bestand ein "Tabu", Gott (und damit auch Jesus) als Bild oder Figur darzustellen. Wie ist das vereinbar mit den im Artikel gemachten Angaben ?


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