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Der Advent ist die Zeit der Hoffnung schlechthin!

vor 5 Stunden in Spirituelles, keine Lesermeinung
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Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das frei ist, Ja oder Nein zur Ewigkeit, das heißt zu Gott zu sagen - Gedanken zum Advent von Benedikt XVI.


Wien (kath.net)

Der Advent ist die Zeit der Hoffnung schlechthin. Jedes Jahr erwacht diese grundlegende Geisteshaltung im Herzen der Christen, die – während sie sich auf die Feier des hohen Festes der Geburt Christi, des Heilands, vorbereiten – die Erwartung seiner glorreichen Wiederkunft am Ende der Zeiten lebendig werden lassen. Der erste Abschnitt des Advents betont gerade die »parousia«, das letzte Kommen des Herrn. Die Antiphonen dieser Ersten Vesper sind alle mit verschiedenen Nuancen auf diese Perspektive hin ausgerichtet. Die kurze Lesung aus dem ersten Brief an die Thessalonicher (5,23–24) bezieht sich ausdrücklich auf das endgültige Kommen Christi, indem sie gerade den griechischen Begriff »parousia«, benutzt (Vers 23). Der Apostel ermahnt die Christen, sich unversehrt zu bewahren, vor allem aber ermutigt er sie dazu, auf Gott zu vertrauen, der »treu ist« (Vers 24) und es nicht daran fehlen lassen wird, die Heiligung all jener zu erwirken, die seiner Gnade entsprechen.

Diese gesamte Vesperliturgie lädt zur Hoffnung ein, indem sie am Horizont der Geschichte auf das Licht des Heilands zeigt, der kommt: »An jenem Tag leuchtet ein helles Licht« (2. Ant.); »Der Herr kommt mit großer Macht« (3. Ant.); »ihr Glanz erfüllt den Erdkreis« (Magnificat-Ant.). Dieses Licht, das aus der Zukunft Gottes hervorstrahlt, ist schon in der Fülle der Zeiten offenbar geworden; daher fehlt es unserer Hoffnung nicht an Grund, sondern sie beruht auf einem Ereignis, das geschichtlich ist und gleichzeitig über die Geschichte hinausreicht: Dieses Ereignis ist Jesus von Nazaret. Der Evangelist Johannes verwendet für Jesus den Titel »Licht«: Es ist ein Titel, der zu Gott gehört. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir in der Tat, daß Jesus Christus »Gott von Gott, Licht vom Licht« ist.

Dem Thema Hoffnung habe ich meine zweite Enzyklika widmen wollen, die gestern veröffentlicht wurde. Es ist mir eine Freude, sie in geistiger Weise der ganzen Kirche an diesem ersten Adventssonntag vorzulegen, damit die Gemeinschaften und die einzelnen Gläubigen sie zur Vorbereitung auf das heilige Weihnachtsfest lesen und meditieren können, um die Schönheit und die Tiefe der christlichen Hoffnung neu zu entdecken. Sie ist nämlich untrennbar an die Kenntnis des Antlitzes Gottes gebunden, jenes Antlitzes, das Jesus, der eingeborene Sohn, uns mit seiner Menschwerdung, mit seinem irdischen Leben und seiner Verkündigung und vor allem mit seinem Tod und seiner Auferstehung offenbart hat. Die wahre und sichere Hoffnung gründet im Glauben an Gott, der die Liebe ist, den barmherzigen Vater, der »die Welt so sehr geliebt [hat], daß er seinen einzigen Sohn hingab« (Joh 3,16), damit die Menschen und mit ihnen alle Geschöpfe Leben in Fülle haben können (vgl. Joh 10,10). Der Advent ist somit eine günstige Zeit, um eine Hoffnung wiederzuentdecken, die nicht ungewiß oder illusorisch ist, sondern gewiß und verläßlich, da sie in Christus »verankert« ist, dem Mensch gewordenen Gott, Fels unseres Heils.


Wie aus dem Neuen Testament und darin besonders aus den Briefen der Apostel hervorgeht, unterschieden sich die Christen von Anfang an durch eine neue Hoffnung von all jenen, die eine heidnische Religiosität lebten. In seinem Brief an die Epheser erinnert sie der hl. Paulus daran, daß sie vor ihrer Annahme des Glaubens an Christus »keine Hoffnung [hatten] und […] ohne Gott in der Welt« lebten (2,12). Dieses Wort scheint mehr denn je aktuell für das Heidentum unserer Tage zu sein: Wir können es insbesondere auf den zeitgenössischen Nihilismus beziehen, der die Hoffnung im Herzen des Menschen zersetzt und ihn dazu verleitet zu denken, daß in ihm und um ihn herum das Nichts herrsche: das Nichts vor der Geburt, das Nichts nach dem Tod. In der Tat: Wenn Gott fehlt, schwindet auch die Hoffnung. Alles verliert an »Dichte«. Es ist, als würde die Tiefendimension verloren gehen und als würde alles verflachen und seiner symbolischen Bedeutung beraubt werden, seines »Herausragens « über das rein Materielle. Auf dem Spiel steht die Beziehung zwischen der Existenz hier und jetzt und dem, was wir »Jenseits« nennen: Es ist kein Ort, zu dem wir nach dem Tod gelangen werden, es ist vielmehr die Wirklichkeit Gottes, die Fülle des Lebens, nach der jeder Mensch sozusagen ausgestreckt ist. Auf diese Erwartung des Menschen hat Gott in Christus mit dem Geschenk der Hoffnung geantwortet.

Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das frei ist, Ja oder Nein zur Ewigkeit, das heißt zu Gott zu sagen. Der Mensch kann in sich die Hoffnung auslöschen, indem er Gott aus seinem Leben streicht. Wie kann es dazu kommen? Wie kann es geschehen, daß das »auf Gott hin geschaffene« Geschöpf, das zuinnerst auf ihn ausgerichtet ist, dasjenige, das dem Ewigen am nächsten steht, sich dieses Reichtums berauben kann? Gott kennt das Herz des Menschen. Er weiß, daß derjenige, der ihn ablehnt, nicht sein wahres Antlitz kennengelernt hat, und deshalb hört er nicht auf, an unsere Tür zu klopfen, wie ein demütiger Pilger auf der Suche nach Aufnahme. Ja, deshalb gewährt der Herr der Menschheit neue Zeit: damit es allen ermöglicht werde, ihn kennenzulernen! Dies ist auch der Sinn eines neuen Kirchenjahres, das beginnt: es ist ein Geschenk Gottes, der sich erneut im Geheimnis Christi durch das Wort und die Sakramente offenbaren will. Durch die Kirche will er zur Menschheit sprechen und die Menschen von heute retten. Und er tut dies, indem er ihnen entgegengeht, »um zu suchen und zu retten, was verloren ist« (Lk 19,10). In dieser Perspektive ist die Feier des Advents die Antwort der Kirche, der Braut, auf die stets neue Initiative Gottes, des Bräutigams, »der ist und der war und der kommt« (Offb 1,8). Der Menschheit, die keine Zeit mehr für ihn hat, bietet Gott andere Zeit, einen neuen Raum, um in sich selbst einzukehren, um sich wieder auf den Weg zu machen, um den Sinn der Hoffnung wiederzufinden.

Ja, hier kommt es dann zur überraschenden Entdeckung: meiner, unserer Hoffnung geht voraus, daß Gott uns erwartet! Ja, Gott liebt uns, und gerade deshalb wartet er darauf, daß wir zu ihm zurückkehren, daß wir das Herz für seine Liebe öffnen, daß wir unsere Hand in die seine legen und uns daran erinnern, daß wir seine Kinder sind. Dieses Warten Gottes geht immer unserer Hoffnung voraus, genauso wie seine Liebe uns immer als erste erreicht (vgl. 1 Joh 4,10). In diesem Sinn wird die christliche Hoffnung »theologal« genannt: Gott ist ihre Quelle, Stütze und Ziel. Welch großer Trost liegt in diesem Geheimnis! Mein Schöpfer hat in meinen Geist einen Abglanz seines Wunsches nach Leben für alle gelegt. Jeder Mensch ist zur Hoffnung berufen, indem er dem Warten Gottes auf ihn entspricht. Im übrigen zeigt uns die Erfahrung, daß es gerade so ist. Was treibt die Welt voran, wenn nicht das Vertrauen, das Gott in den Menschen setzt? Es ist dies ein Vertrauen, das seinen Widerschein im Herzen der Kleinen, der Demütigen hat, wenn sie sich jeden Tag unter Schwierigkeiten und Mühen dafür einsetzen, ihr Bestes zu tun, jenes Wenige an Gutem zu vollbringen, das jedoch in den Augen Gottes viel ist: in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. In das Herz des Menschen ist unauslöschlich die Hoffnung eingeschrieben, da Gott, unser Vater, das Leben ist, und für das ewige und selige Leben sind wir geschaffen.

Jedes Kind, das zur Welt kommt, ist Zeichen des Vertrauens Gottes in den Menschen und ist eine zumindest implizite Bestätigung der Hoffnung, die der Mensch in eine Zukunft setzt, die offen ist für das Ewige Gottes. Auf diese Hoffnung des Menschen hat Gott geantwortet, indem er in der Zeit als kleines Menschenwesen geboren wurde. Der hl. Augustinus hat geschrieben: »Wir könnten denken, dein Wort sei weit von einer Verbindung mit dem Menschen und könnten an uns verzweifeln, wenn dies Wort nicht Fleisch geworden wäre und unter uns wohnte« (Confessiones X, 43,69, zitiert in Spe salvi, 29). Lassen wir uns also von Ihr führen, die im Herzen und im Schoß das fleischgewordene Wort getragen hat. Maria, du Jungfrau der Erwartung und Mutter der Hoffnung, laß in der ganzen Kirche den Geist des Advents neu lebendig werden, auf daß sich die ganze Menschheit auf den Weg nach Betlehem mache, woher die aus der Höhe aufstrahlende Sonne (vgl. Lk 1,78) gekommen ist und wieder kommen wird, um uns zu besuchen: Christus unser Gott. Amen.

(1. Dez. 2007)


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