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Heiliges Jahr - Mehrere heilige Pforten werden geöffnet

13. Dezember 2024 in Chronik, keine Lesermeinung
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„Papst Franziskus wird an Heiligabend“ mutmaßlich für kommende Jahrhunderte „ein katholische Tradition starten und eine erstmalige historische Ergänzung des heiligen Rituals einführen“ – Heilige Pforte in einem Gefängnis - Päpstliche Bulle/Wortlaut


Vatikan-New York (kath.net/pl) Seit Jahrhunderten werden in Heiligen Jahren die Heiligen Pforten an vier römischen Basiliken geöffnet: Petersdom, Lateran, Santa Maria Maggiore, St. Paul vor den Mauern. Papst Franziskus hat beschlossen, dieses Ritual auszuweiten: er wird am 26. Dezember, dem Fest des Heiligen Stephan, eine symbolische Pforte im römischen Gefängnis Rebibbia öffnen. Die „New York Post“ mutmaßt, dass er damit eine neue katholische Tradition startet, die in die kommenden Jahrhunderte hineinwirken wird.

Erzbischof Rino Fisichella, Pro-Präfekt des Dikasteriums für Evangelisierung, sagte, dass die Öffnung der Heiligen Pforte im römischen Gefängnis ein „Symbol für alle Gefängnisse auf der ganzen Welt“ sein wird. Das berichtete die CNA.

Während des Jubiläumsjahres der Hoffnung 2025 ruft Papst Franziskus Regierungen weltweit dazu auf, Initiativen zu ergreifen, um den Gefangenen ihre Würde zurückzugeben, die gleichzeitig mit einer konkreten Verpflichtung zur Achtung des Gesetzes einhergehen. Dabei weist der Papst in seiner Bulle auch auf die Möglichkeiten zu Amnestie und Begnadigung hin, mit dem Ziel, Menschen zu helfen, das Vertrauen in sich selbst und in die Gesellschaft zurückzugewinnen und Wege der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu gehen.

kath.net dokumentiert die im deutschen Sprachraum bisher eher wenig beachtete Päpstliche Bulle im Wortlaut:

Spes non confundit

VERKÜNDIGUNGSBULLE
DES ORDENTLICHEN JUBILÄUMS
DES JAHRES 2025

FRANZISKUS
BISCHOF VON ROM
DIENER DER DIENER GOTTES
MÖGE DIE HOFFNUNG DIE HERZEN ALLER ERFÜLLEN,
DIE DIESES SCHREIBEN LESEN

1. »Spes non confundit«, „die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (vgl. Röm 5,5). Im Zeichen der Hoffnung macht der Apostel Paulus der christlichen Gemeinde von Rom Mut. Hoffnung ist auch die zentrale Botschaft des bevorstehenden Heiligen Jahres, das der Papst nach alter Tradition alle fünfundzwanzig Jahre ausruft. Ich denke an all die Pilger der Hoffnung, die nach Rom kommen werden, um das Heilige Jahr zu feiern, und an diejenigen, welche die Stadt der Apostel Petrus und Paulus nicht besuchen können und es in den Teilkirchen begehen werden. Für alle möge es ein Moment der lebendigen und persönlichen Begegnung mit unserem Herrn Jesus Christus sein, der »Tür« zum Heil (vgl. Joh 10,7.9); einer Begegnung mit ihm, den die Kirche immer und überall und allen als „unsere Hoffnung“ (vgl. 1 Tim 1,1) zu verkünden hat.

Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird. Die Unvorhersehbarkeit der Zukunft ruft jedoch teilweise widersprüchliche Gefühle hervor: von der Zuversicht zur Angst, von der Gelassenheit zur Verzweiflung, von der Gewissheit zum Zweifel. Oft begegnen wir entmutigten Menschen, die mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft blicken, so als ob ihnen nichts Glück bereiten könnte. Möge das Heilige Jahr für alle eine Gelegenheit sein, die Hoffnung wieder aufleben zu lassen. Das Wort Gottes hilft uns, Gründe dafür zu finden. Lassen wir uns von dem leiten, was der Apostel Paulus an die Christen in Rom schreibt.

Ein Wort der Hoffnung

2. »Gerecht gemacht also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch ihn haben wir auch im Glauben den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. […] Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (Röm 5,1-2.5). Vielfältig sind die Denkanstöße, die der heilige Paulus hier gibt. Wir wissen, dass der Brief an die Römer einen entscheidenden Übergang in seiner Verkündigungstätigkeit markiert. Bis dahin hatte er sie im östlichen Teil des Reiches wahrgenommen, und nun wartet Rom auf ihn, mit all dem, was es in den Augen der Welt darstellt: eine große Herausforderung, der er sich zur Verkündigung des Evangeliums stellen muss, die keine Schranken oder Grenzen kennt. Die Kirche von Rom wurde nicht von Paulus gegründet, und er verspürt den brennenden Wunsch, sie bald zu besuchen, um zu allen das Evangelium von Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, zu bringen, als Botschaft der Hoffnung, die die Verheißungen erfüllt, zur Herrlichkeit führt und, auf der Liebegegründet, nicht enttäuscht.

3. Die Hoffnung wird nämlich aus der Liebe geboren und gründet sich auf die Liebe, die aus dem am Kreuz durchbohrten Herzen Jesu fließt: »Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Gottes Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben« (Röm 5,10). Und sein Leben zeigt sich in unserem Glaubensleben, das mit der Taufe beginnt, sich in der Fügsamkeit gegenüber der Gnade Gottes entwickelt und deshalb von der Hoffnung beseelt ist, die durch das Wirken des Heiligen Geistes immer wieder erneuert und unerschütterlich wird.

Es ist nämlich der Heilige Geist, der mit seiner beständigen Gegenwart in der pilgernden Kirche das Licht der Hoffnung in den Gläubigen verbreitet. Er lässt es brennen wie eine Fackel, die nie erlischt, um unserem Leben Halt und Kraft zu geben. Tatsächlich täuscht die christliche Hoffnung nicht und sie enttäuscht nicht, denn sie gründet sich auf die Gewissheit, dass nichts und niemand uns jemals von der göttlichen Liebe trennen kann: »Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? [...] Doch in alldem tragen wir einen glänzenden Sieg davon durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« ( Röm 8,35.37-39). Deshalb bricht diese Hoffnung angesichts von Schwierigkeiten nicht zusammen. Sie gründet sich auf den Glauben und wird von der Liebe genährt und ermöglicht es so, im Leben weiterzugehen. Der heilige Augustinus schreibt dazu: »Niemand lebt was für ein Leben auch immer ohne diese drei Neigungen der Seele: glauben, hoffen und lieben«. [1]

4. Der heilige Paulus ist sehr realistisch. Er weiß, dass das Leben aus Freud und Leid besteht, dass die Liebe auf die Probe gestellt wird, wenn die Schwierigkeiten zunehmen, und dass die Hoffnung angesichts des Leidens zu zerbrechen scheint. Dennoch schreibt er: »Wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung« (Röm 5,3-4). Für den Apostel sind Bedrängnis und Leid die typischen Bedingungen für diejenigen, die das Evangelium in einem Klima des Unverständnisses und der Verfolgung verkünden (vgl. 2 Kor 6,3-10). Aber in solchen Situationen erblickt man durch die Dunkelheit hindurch ein Licht. Man entdeckt, wie die Verkündigung von der Kraft getragen wird, die aus dem Kreuz und der Auferstehung Christi strömt. Und dies führt zur Entwicklung einer Tugend, die eng mit der Hoffnung verbunden ist: der Geduld. Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, alles sofort zu wollen, in einer Welt, in der die Eile eine Konstante geworden ist. Man hat keine Zeit mehr, sich zu treffen, und selbst in den Familien wird es oft schwierig, zusammenzukommen und in Ruhe miteinander zu reden. Die Geduld ist durch die Eile vertrieben worden und das fügt den Menschen großen Schaden zu. In der Folge haben Ungeduld, Nervosität und manchmal auch grundlose Gewalt Einzug gehalten, die zu Unzufriedenheit und Verschlossenheit führen.

Außerdem ist die Geduld im Zeitalter des Internets, in dem Raum und Zeit vom „Hier und Jetzt“ verdrängt werden, nicht wirklich heimisch. Wenn wir noch in der Lage wären, die Schöpfung zu bestaunen, könnten wir verstehen, wie entscheidend die Geduld ist. Den Wechsel der Jahreszeiten mit ihren jeweiligen Früchten abwarten; das Leben der Tiere und ihre Entwicklungszyklen beobachten; den schlichten Blick des heiligen Franziskus besitzen, der in seinem vor genau 800 Jahren verfassten Sonnengesang die Schöpfung als eine große Familie wahrnahm und Sonne und Mond „Bruder“ und „Schwester“ [2] nannte. Die Geduld wiederzuentdecken ist gut für uns selbst und für die anderen. Der heilige Paulus spricht oft von der Geduld, um die Bedeutung der Ausdauer und des Vertrauens auf Gottes Verheißung hervorzuheben, aber vor allem bezeugt er, dass Gott mit uns geduldig ist, er, »der Gott der Geduld und des Trostes« ( Röm 15,5). Die Geduld, ebenfalls eine Frucht des Heiligen Geistes, erhält die Hoffnung am Leben und konsolidiert sie als Tugend und Lebensweise. Lernen wir also, oft um die Gnade der Geduld zu bitten, die eine Tochter der Hoffnung ist und sie zugleich nährt.

Ein Weg der Hoffnung

5. Aus dieser inneren Verbindung von Hoffnung und Geduld wird deutlich, dass das christliche Leben ein Weg ist, der auch starke Momente braucht, um die Hoffnung zu nähren und zu stärken, die unersetzliche Begleiterin, die das Ziel erahnen lässt: die Begegnung mit unserem Herrn Jesus Christus. Gern denke ich daran, dass der Verkündigung des ersten Heiligen Jahres im Jahr 1300 ein von der Volksfrömmigkeit getragener Weg der Gnade vorausging. In der Tat dürfen wir die verschiedenen Formen nicht vergessen, in denen die Gnade der Vergebung über das heilige, gläubige Gottesvolk in reichem Maße ausgegossen wurde. Erinnern wir uns zum Beispiel an die große „Vergebungsfeier“, die der heilige Coelestin V. denjenigen gewährte, die sich am 28. und 29. August 1294 in die Basilika Santa Maria von Collemaggio in L’Aquila begaben, sechs Jahre bevor Papst Bonifatius VIII. das Heilige Jahr einführte. Die Kirche erlebte also bereits die Jubiläumsgnade der Barmherzigkeit. Und noch davor, im Jahr 1216, hatte Papst Honorius III. der Bitte des heiligen Franziskus entsprochen, denjenigen einen Ablass zu gewähren, die die Portiuncula in den ersten beiden Augusttagen besuchen würden. Das Gleiche gilt für die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela: Papst Calixtus II. erlaubte 1122, dass in dieser Wallfahrtskirche jedes Mal ein Heiliges Jahr gefeiert werden durfte, wenn das Fest des Apostels Jakobus auf einen Sonntag fiel. Es ist gut, dass diese „verbreitete“ Form von Jubiläumsfeiern fortgesetzt wird, damit die Kraft der Vergebung Gottes den Weg der Gemeinschaften und der Einzelnen stützen und begleiten kann.

Es ist kein Zufall, dass das Pilgern ein wesentliches Element eines jeden Heiligen Jahres darstellt. Sich auf einen Weg zu begeben, ist typisch für diejenigen, die sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machen. Eine Fußwallfahrt trägt sehr dazu bei, den Wert der Stille, der Anstrengung und der Konzentration auf das Wesentliche wiederzuentdecken. Auch im kommenden Jahr werden die Pilger der Hoffnung es nicht versäumen, alte und neue Wege zu gehen, um das Heilige Jahr intensiv zu erleben. In der Stadt Rom selbst wird es neben den traditionellen Pilgerwegen zu den Katakomben und den Sieben Kirchen weitere Wege des Glaubens geben. Wenn man von einem Land in ein anderes reist, als wären die Grenzen überwunden, wenn man im Betrachten der Schöpfung und der Kunstwerke von einer Stadt zur anderen reist, wird man verschiedene Erfahrungen und Kulturen aufnehmen können, um die Schönheit in sich zu tragen, die durch das Gebet in Einklang gebracht, dazu führt, dass man Gott für die von ihm vollbrachten Wunder dankt. Die Jubiläumskirchen entlang der Pilgerrouten und in der Stadt Rom können zu geistlichen Oasen werden, wo man auf dem Glaubensweg Stärkung erfährt und aus den Quellen der Hoffnung trinkt, vor allem durch den Empfang des Bußsakraments, dem unverzichtbaren Ausgangspunkt eines echten Weges der Umkehr. In den Teilkirchen richte man besonderes Augenmerk auf die Vorbereitung der Priester und der Gläubigen auf die Beichte und achte darauf, dass die Gelegenheit zur Einzelbeichte besteht.

Zu dieser Pilgerschaft möchte ich den Gläubigen der Ostkirchen eine besondere Einladung aussprechen, besonders denjenigen, die bereits in voller Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri stehen. Sie, die so viel, oft bis zum Tod, für ihre Treue zu Christus und zur Kirche gelitten haben, sollen sich in diesem Rom besonders willkommen fühlen, das auch ihnen Mutter ist und viele Erinnerungen an ihre Anwesenheit birgt. Die katholische Kirche, die durch ihre uralten Liturgien, durch die Theologie und die Spiritualität der Väter – Mönche und Theologen – Bereicherung erfährt, möchte sie und ihre orthodoxen Brüder und Schwestern symbolisch willkommen heißen, in einer Zeit, in der sie bereits die Pilgerschaft des Kreuzweges durchleben und oft gezwungen sind, ihre Herkunftsländer, ihre heiligen Länder zu verlassen, aus denen sie vor Gewalt und Instabilität in sicherere Staaten flüchten. Ihre Erfahrung, von der Kirche geliebt zu sein, die sie nicht im Stich lässt, sondern ihnen überallhin folgt, wohin sie auch gehen, lässt für sie das Zeichen des Heiligen Jahres noch stärker werden.

6. Das Heilige Jahr 2025 steht in Kontinuität mit den vorangegangenen Gnadenjahren. Im letzten Ordentlichen Heiligen Jahr wurde die Schwelle zum zweitausendsten Jahrestag der Geburt Jesu Christi überschritten. Danach habe ich am 13. März 2015 ein außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen mit dem Ziel, den Menschen das »Antlitz der Barmherzigkeit« Gottes [3], die zentrale Botschaft des Evangeliums für alle Menschen zu allen Zeiten, vor Augen zu stellen und die Begegnung mit diesem Antlitz zu ermöglichen. Nun ist die Zeit für ein neues Heiliges Jahr gekommen, in dem die Heilige Pforte wiederum weit geöffnet wird, um die lebendige Erfahrung der Liebe Gottes zu ermöglichen, die im Herzen die sichere Hoffnung auf Rettung in Christus weckt. Zugleich wird dieses Heilige Jahr den Weg zu einem weiteren grundlegenden Ereignis für alle Christen weisen: Im Jahr 2033 feiern wir die Erlösung durch Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus vor 2000 Jahren. Wir stehen also vor einem durch große Etappen gekennzeichneten Weg, auf denen die Gnade Gottes dem Volk, das eifrig im Glauben, tätig in der Nächstenliebe und standhaft in der Hoffnung wandelt, zuvorkommt und es begleitet (vgl. 1 Thess 1,3).


Gestützt auf eine so lange Tradition und in der Gewissheit, dass dieses Heilige Jahr für die ganze Kirche eine intensive Erfahrung der Gnade und der Hoffnung sein wird, lege ich fest, dass die Heilige Pforte des Petersdoms im Vatikan am 24. Dezember des Jahres 2024 geöffnet wird und damit das Ordentliche Heilige Jahr beginnt. Am darauffolgenden Sonntag, dem 29. Dezember 2024, werde ich die Heilige Pforte meiner Kathedralkirche, Sankt Johannes im Lateran, öffnen, deren Weihe sich am 9. November dieses Jahres zum 1700. Mal jährt. Am 1. Januar 2025, dem Hochfest der Gottesmutter Maria, wird die Heilige Pforte der päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore geöffnet werden. Am Sonntag, dem 5. Januar, wird schließlich die Heilige Pforte der päpstlichen Basilika Sankt Paul vor den Mauern geöffnet. Die letztgenannten drei Heiligen Pforten werden am Sonntag, dem 28. Dezember desselben Jahres, wieder geschlossen.

Ich verfüge ferner, dass die Diözesanbischöfe am Sonntag, dem 29. Dezember 2024, in allen Kathedralen und Konkathedralen zur feierlichen Eröffnung des Jubiläumsjahres die Heilige Eucharistie nach dem zu diesem Anlass zu erstellenden Rituale feiern. Für die Feier in der Konkathedrale kann der Bischof durch einen eigens bestimmten Delegaten vertreten werden. Der Pilgerweg von einer für die collectio ausgewählten Kirche zur Kathedrale möge ein Zeichen des Weges der Hoffnung sein, der, erleuchtet vom Wort Gottes, die Gläubigen vereint. Bei dieser Wallfahrt sollen Ausschnitte aus diesem Dokument verlesen und der Jubiläumsablass verkündet werden, den man nach den Vorschriften desselben Rituale für die Feier des Heiligen Jahres in den Teilkirchen erlangen kann. Während des Heiligen Jahres, das in den Ortskirchen am Sonntag, dem 28. Dezember 2025, endet, soll darauf geachtet werden, dass das Volk Gottes sowohl die Botschaft der Hoffnung auf Gottes Gnade als auch die Zeichen, die deren Wirksamkeit bezeugen, mit voller Anteilnahme empfangen kann.

Das Ordentliche Heilige Jahr wird mit der Schließung der Heiligen Pforte des Petersdoms im Vatikan am 6. Januar 2026, dem Fest der Erscheinung des Herrn, enden. Möge das Licht der christlichen Hoffnung jeden Menschen erreichen, als eine Botschaft der Liebe Gottes, die sich an alle richtet! Und möge die Kirche in allen Teilen der Welt eine treue Zeugin dieser Botschaft sein!

Zeichen der Hoffnung

7. Wir schöpfen die Hoffnung aus der Gnade Gottes, darüber hinaus dürfen wir sie aber auch in den Zeichen der Zeit wiederentdecken, die der Herr uns schenkt. Wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellt, »obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben«. [4] Wir müssen daher auf das viele Gute in der Welt achten, um nicht in die Versuchung zu geraten, das Böse und die Gewalt für übermächtig zu halten. Aber die Zeichen der Zeit, die die Sehnsucht des menschlichen Herzens einschließen, das der rettenden Gegenwart Gottes bedarf, verlangen danach, in Zeichen der Hoffnung verwandelt zu werden.

8. Das erste Zeichen der Hoffnung möge sich als Frieden für die Welt verwirklichen, die sich wieder einmal inmitten der Tragödie des Krieges befindet. Weil die Menschheit die Dramen der Vergangenheit vergisst, wird sie von einer neuen, schwierigen Prüfung heimgesucht, bei der viele Völker von der Brutalität der Gewalt getroffen werden. Was steht diesen Völkern denn noch bevor, was sie nicht schon erlitten hätten? Wie ist es möglich, dass ihr verzweifelter Hilfeschrei die Verantwortlichen der Nationen nicht dazu bewegt, den allzu vielen regionalen Konflikten ein Ende zu setzen, wohl wissend um die Folgen, die sich weltweit aus ihnen ergeben könnten? Ist es ein zu großer Traum, dass die Waffen schweigen und aufhören, Zerstörung und Tod zu bringen? Das Heilige Jahr möge uns daran erinnern, dass man diejenigen, die »Frieden stiften«, »Kinder Gottes« wird nennen können (Mt 5,9). Die Dringlichkeit des Friedens fordert uns alle heraus und verlangt von uns konkrete Projekte. Die Diplomatie darf in ihrem Bemühen nicht nachlassen, mutig und kreativ Verhandlungsräume für einen dauerhaften Frieden zu schaffen.

9. Hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, bedeutet auch eine begeisterte Lebenseinstellung   zu haben, die es weiterzugeben gilt. Leider müssen wir mit Bedauern feststellen, dass es in vielen Situationen an einer solchen Sichtweise mangelt. Die erste Folge ist der Verlust des Wunsches, das Leben weiterzugeben. Aufgrund hektischer Lebensrhythmen, Zukunftsängste, fehlender Garantien für einen Arbeitsplatz und eine angemessene soziale Absicherung sowie aufgrund von Gesellschaftsmodellen, in denen statt der Pflege menschlicher Beziehungen das Streben nach Profit die Agenda bestimmt, erleben wir in verschiedenen Ländern einen besorgniserregenden Rückgang der Geburtenrate. Dementgegen in anderen Zusammenhängen »die Schuld dem Bevölkerungszuwachs und nicht dem extremen und selektiven Konsumverhalten einiger anzulasten, eine Art [ist], sich den Problemen nicht zu stellen«. [5]

Die Offenheit für das Leben durch eine verantwortliche Elternschaft ist der Plan, den der Schöpfer in die Herzen und Körper von Mann und Frau eingeschrieben hat; das ist eine Aufgabe, die der Herr den Eheleuten und ihrer Liebe anvertraut. Es ist dringend notwendig, dass es über die legislativen Bemühungen der Staaten hinaus nicht an einer entschiedenen Unterstützung der Glaubensgemeinschaften und der gesamten Zivilgesellschaft in all ihren Gliedern mangelt. Denn der Wunsch junger Menschen als Ausdruck der Fruchtbarkeit ihrer Liebe neue Söhne und Töchter zu zeugen, verleiht jeder Gesellschaft eine Zukunft und ist eine Frage der Hoffnung: Er hängt von der Hoffnung ab und bringt Hoffnung hervor.

Die christliche Gemeinschaft darf also niemandem nachstehen, wenn es darum geht, für ein notwendiges soziales Bündnis für die Hoffnung einzutreten, das inklusiv und nicht ideologisch ist und sich für eine Zukunft einsetzt, die gekennzeichnet ist vom Lächeln vieler Jungen und Mädchen, welche die mittlerweile viel zu vielen leeren Wiegen in zahlreichen Teilen der Welt füllen mögen. Aber eigentlich müssen alle die Freude am Leben zurückgewinnen, denn der Mensch, der nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen ist (vgl. Gen 1,26), kann sich nicht damit begnügen, nur zu überleben oder sich irgendwie durchzuschlagen, sich an die Gegenwart anzupassen und sich allein mit materiellen Gütern zufriedenzugeben. Das schließt den Menschen ein im Individualismus und zersetzt die Hoffnung, es erzeugt eine Traurigkeit, die sich im Herzen einnistet und den Menschen verbittert und unduldsam werden lässt.

10. Im Heiligen Jahr sind wir aufgerufen, zu greifbaren Zeichen der Hoffnung für viele Brüder und Schwestern zu werden, die unter schwierigen Bedingungen leben. Ich denke dabei an die Gefangenen, die bei Entzug ihrer Freiheit, jeden Tag neben der Härte der Haft auch die emotionale Leere, die auferlegten Einschränkungen und in nicht wenigen Fällen einen Mangel an Respekt erleben. Ich schlage den Regierungen vor, im Heiligen Jahr Initiativen zu ergreifen, die Hoffnung zurückgeben; Formen der Amnestie oder des Straferlasses, um den Menschen zu helfen, das Vertrauen in sich selbst und in die Gesellschaft zurückzugewinnen; Wege der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft, denen eine konkrete Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze entsprechen möge.

Diese Aufforderung ist sehr alt, sie kommt aus dem Wort Gottes und ruft in seiner ganzen weisheitlichen Bedeutung auch weiter zu Akten der Begnadigung und der Befreiung auf, welche einen Neubeginn ermöglichen: »Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus« ( Lev 25,10). Was durch das mosaische Gesetz festgelegt wurde, wird vom Propheten Jesaja aufgegriffen: Der Herr »hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen« ( Jes 61,1-2). Dies sind die Worte, die sich Jesus zu Beginn seines Wirkens zu eigen gemacht hat, indem er in sich selbst als die Erfüllung des „Gnadenjahrs des Herrn“ bezeichnete (vgl. Lk 4,18-19). Mögen die Gläubigen, vor allem die Hirten, sich für diese Anliegen in allen Teilen der Welt einsetzen und mit vereinter Stimme mutig für menschenwürdige Bedingungen für Gefangene, die Achtung der Menschenrechte und vor allem die Abschaffung der Todesstrafe eintreten, welche eine Maßnahme darstellt, die dem christlichen Glauben entgegensteht und jegliche Hoffnung auf Vergebung und Erneuerung zunichtemacht. [6] Um den Häftlingen ein konkretes Zeichen der Nähe zu geben, möchte ich selbst in einem Gefängnis eine Heilige Pforte öffnen. Sie möge für sie ein Symbol sein, das einlädt hoffnungsvoll und mit erneuerter Lebensaufgabe in die Zukunft zu blicken.

11. Zeichen der Hoffnung müssen den Kranken gegeben werden, die sich zu Hause oder im Krankenhaus befinden. Mögen ihre Leiden durch die Nähe von Menschen, die sie besuchen, und durch die Zuwendung, die sie erhalten, gelindert werden. Die Werke der Barmherzigkeit sind auch Werke der Hoffnung, die in den Herzen Dankbarkeit wachrufen. Und die Dankbarkeit soll alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens erreichen, die unter oftmals schwierigen Bedingungen ihren Dienst mit liebevoller Fürsorge für die Kranken und Schwächsten ausüben.

Es darf nicht an umfassender Aufmerksamkeit für diejenigen fehlen, die unter besonders schwierigen Lebensbedingungen die eigene Schwäche erfahren, insbesondere, wenn sie an Krankheiten oder Behinderungen leiden, die ihre persönliche Autonomie stark einschränken. Für sie zu sorgen ist wie ein Lobgesang auf die Menschenwürde, ein Lied der Hoffnung, das das Zusammenspiel der gesamten Gesellschaft erfordert.

12. Zeichen der Hoffnung benötigen auch diejenigen, die selbst die Hoffnung versinnbildlichen: die jungen Menschen. Sie erleben leider oft, wie ihre Träume zerbrechen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen, denn auf ihrer Begeisterung gründet die Zukunft. Es ist schön zu sehen, wie sie Energien freisetzen, beispielsweise wenn sie die Ärmel hochkrempeln und sich freiwillig in Katastrophensituationen und sozialen Notlagen engagieren. Doch es ist traurig, junge Menschen ohne Hoffnung zu sehen. Allerdings ist es unvermeidlich, dass man die Gegenwart mit Melancholie und Langeweile lebt, wenn die Zukunft ungewiss ist und kein Träumen erlaubt, wenn das Studium keine Perspektiven bietet und das Fehlen einer Arbeit oder einer ausreichend festen Beschäftigung die Wünsche zunichte zu machen droht. Die Illusion der Drogen, das Risiko der Grenzüberschreitung und das Streben nach dem Kurzlebigen sorgen bei ihnen für mehr Verwirrung als bei anderen und verdecken die Schönheit und den Sinn des Lebens, sie lassen sie in dunkle Abgründe abgleiten und verleiten sie zu selbstzerstörerischen Handlungen. Deshalb möge das Heilige Jahr in der Kirche auch zu einem neuen Elan ihnen gegenüber führen: Nehmen wir uns mit neuer Leidenschaft der jungen Menschen an, der Studenten, der Verlobten, der jungen Generationen! Nähe zu den jungen Menschen – sie sind eine Freude und Hoffnung für die Kirche und für die Welt!

13. Es darf nicht an Zeichen der Hoffnung für Migranten fehlen, die ihr Land auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Familien verlassen. Ihre Erwartungen dürfen nicht durch Vorurteile und Abschottung zunichtegemacht werden. Ein Empfang mit weit geöffneten Armen, wie es der Würde eines jeden entspricht, muss mit Verantwortungsbewusstsein einhergehen, damit niemandem das Recht verwehrt wird, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Den vielen Exilanten, Flüchtlingen und Vertriebenen, die durch die internationalen Konflikte zur Flucht gezwungen sind, um Kriegen, Gewalt und Diskriminierung zu entgehen, mögen Sicherheit und ein Zugang zu Arbeitsplätzen und Bildung garantiert werden, was notwendig ist für ihre Eingliederung in das neue soziale Umfeld.

Die christliche Gemeinschaft möge stets bereit sein, das Recht der Schwächsten zu verteidigen. Sie soll die Türen der Gastfreundschaft weit öffnen, damit niemandem die Hoffnung auf ein besseres Leben verloren geht. In den Herzen möge das Wort des Herrn widerhallen, der im großen Gleichnis vom Jüngsten Gericht sagte: »Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen«, denn »was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,35.40).

14. Zeichen der Hoffnung verdienen die älteren Menschen, die oft Einsamkeit und Verlassenheit erfahren. Die christliche Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft sind verpflichtet, den Schatz, den sie darstellen, ihre Lebenserfahrung, die Weisheit, die sie besitzen, und den Beitrag, den sie leisten können, zur Geltung zu bringen und für ein Bündnis zwischen den Generationen zusammenzuarbeiten.

Besonders denke ich an die Großväter und Großmütter, die für die Weitergabe des Glaubens und der Lebensweisheit an die jüngeren Generationen stehen. Mögen sie Halt erfahren in der Dankbarkeit ihrer Kinder und in der Liebe ihrer Enkelkinder, die in ihnen wiederum Verwurzelung, Verständnis und Ermutigung finden.

15. Um Hoffnung bitte ich eindringlich für die Milliarden von Armen, denen oft das Lebensnotwendige fehlt. Angesichts immer neuer Wellen der Verarmung besteht die Gefahr der Gewöhnung und Resignation. Aber wir dürfen unseren Blick nicht von solch dramatischen Situationen abwenden, die inzwischen überall anzutreffen sind, nicht nur in bestimmten Gegenden der Welt. Wir begegnen jeden Tag armen oder verarmten Menschen, bisweilen können das gar unsere Nachbarn sein. Sie haben oft weder ein Zuhause noch ausreichend Nahrung für den Tag. Sie leiden unter der Ausgrenzung und der Gleichgültigkeit von vielen. Es ist ein Skandal, dass in einer Welt, die über enorme Ressourcen verfügt, von denen ein Großteil in Rüstungsgüter fließt, die Armen »der größte Teil [sind], Milliarden von Menschen. Heute kommen sie in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Debatten vor, doch oft scheint es, dass ihre Probleme gleichsam als ein Anhängsel angegangen werden, wie eine Frage, die man fast pflichtgemäß oder ganz am Rande anfügt, wenn man sie nicht als bloßen Kollateralschaden betrachtet. Tatsächlich bleiben sie im Moment der konkreten Verwirklichung oft auf dem letzten Platz«. [7] Vergessen wir nicht: Die Armen sind fast immer Opfer, nicht Täter.

Appelle für die Hoffnung

16. Ein altes Prophetenwort aufgreifend erinnert uns das Heilige Jahr daran, dass die Güter der Erde nicht für einige wenige Privilegierte, sondern für alle bestimmt sind. Es ist nötig, dass diejenigen, die Reichtümer besitzen, großzügig werden und das Gesicht ihrer Geschwister in Not wahrnehmen. Ich denke dabei insbesondere an diejenigen, denen es an Wasser und Nahrung fehlt: Der Hunger ist eine skandalöse Plage unserer Menschheit und lädt uns alle ein, unser Gewissen aufrütteln zu lassen. Ich erneuere meinen Appell: »Mit dem Geld, das für Waffen und andere Militärausgaben verwendet wird, richten wir einen Weltfonds ein, um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die Entwicklung der ärmsten Länder zu fördern, damit ihre Bewohner nicht zu gewaltsamen oder trügerischen Lösungen greifen oder ihre Länder verlassen müssen, um ein menschenwürdigeres Leben zu suchen«. [8]

Im Hinblick auf das Heilige Jahr möchte ich einen weiteren eindringlichen Appell aussprechen: Er richtet sich an die reicheren Nationen, damit sie das Ausmaß vieler getroffener Entscheidungen erkennen und sich entschließen, denjenigen Ländern die Schulden zu erlassen, die sie niemals zurückzahlen könnten. Dabei handelt es sich nicht so sehr um eine Frage der Großmut, sondern der Gerechtigkeit, die heute durch eine neue Form der Ungerechtigkeit verschärft wird, derer wir uns bewusst geworden sind: »Denn es gibt eine wirkliche „ökologische Schuld“ – besonders zwischen dem Norden und dem Süden – im Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen«. [9] Wie die Heilige Schrift lehrt, gehört die Erde Gott und wir alle wohnen auf ihr als »Fremde und Beisassen« ( Lev 25,23). Wenn wir wirklich den Weg für den Frieden in der Welt ebnen wollen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Grundursachen der Ungerechtigkeit zu beseitigen, ungerechte und nicht zurückzahlbare Schulden erlassen und die Hungernden sättigen.

17. In das kommende Heilige Jahr fällt ein für alle Christen sehr bedeutsames Jubiläum. Es sind dann nämlich 1700 Jahre vergangen, seit das erste große ökumenische Konzil, das Konzil von Nizäa, stattgefunden hat. Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass sich die Hirten seit den Zeiten der Apostel zu verschiedenen Gelegenheiten versammelt haben, um Lehrfragen und Disziplinarangelegenheiten zu behandeln. In den ersten Jahrhunderten des Glaubens häuften sich die Synoden sowohl im christlichen Osten als auch im Westen und zeigten damit, wie wichtig es ist, die Einheit des Volkes Gottes und die treue Verkündigung des Evangeliums zu bewahren. Das Heilige Jahr wird eine wichtige Gelegenheit sein, um diese synodale Form zu konkretisieren, die die christliche Gemeinschaft heute als eine immer notwendigere Ausdrucksweise wahrnimmt, um der Dringlichkeit der Evangelisierung besser zu entsprechen: Alle Getauften, jeder mit seinem eigenen Charisma und Dienst, sind mitverantwortlich, dass vielfältige Zeichen der Hoffnung die Gegenwart Gottes in der Welt bezeugen.

Das Konzil von Nizäa hatte die Aufgabe, die Einheit zu bewahren, die durch die Leugnung der Göttlichkeit Jesu Christi und seiner Wesensgleichheit mit dem Vater ernsthaft bedroht war. Es versammelten sich etwa dreihundert Bischöfe im kaiserlichen Palast, die von Kaiser Konstantin für den 20. Mai 325 zusammengerufen worden waren. Nach zahlreichen Debatten erkannten sie sich mit der Gnade des Heiligen Geistes alle in dem Glaubensbekenntnis wieder, das wir heute noch in der sonntäglichen Eucharistiefeier ablegen. Die Konzilsväter wollten dieses Bekenntnis erstmals mit dem Ausdruck »Wir glauben« [10] einleiten, um zu bezeugen, dass sich alle Kirchen in diesem „Wir“ in Einheit befanden und alle Christen denselben Glauben bekannten.

Das Konzil von Nizäa ist ein Meilenstein in der Kirchengeschichte. Sein Jahrestag lädt die Christen dazu ein, der Heiligen Dreifaltigkeit gemeinsam Lob und Dank zu singen, insbesondere Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der »wesensgleich dem Vater« [11] ist und uns dieses Geheimnis der Liebe offenbart hat. Nizäa ist aber auch eine Einladung an alle Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, auf dem Weg zur sichtbaren Einheit weiterzugehen und nicht müde zu werden, nach angemessenen Formen zu suchen, um dem Gebet Jesu vollumfänglich zu entsprechen: »Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast« ( Joh 17,21).

Beim Konzil von Nizäa ging es auch um den Termin des Osterfestes. Diesbezüglich gibt es auch heute noch unterschiedliche Positionen, die verhindern, dass das glaubensbegründende Ereignis an ein und demselben Tag gefeiert wird. Doch wie es die Vorsehung so will, wird dies gerade im Jahr 2025 geschehen. Möge dies ein Aufruf an alle Christen in Ost und West verstanden werden, einen entscheidenden Schritt hin zu einer Einigung bezüglich eines gemeinsamen Osterdatums zu tun. Man tut gut daran, sich zu erinnern, dass viele die Diatriben der Vergangenheit nicht mehr kennen und nicht verstehen, wie es diesbezüglich weiterhin eine Spaltung geben kann.

In der Hoffnung verankert

18. Die Hoffnung bildet zusammen mit dem Glauben und der Liebe das Triptychon der „göttlichen Tugenden“, die das Wesen des christlichen Lebens zum Ausdruck bringen (vgl. 1 Kor 13,13; 1 Thess 1,3). Innerhalb deren unauflöslicher Dynamik ist die Hoffnung die Tugend, die sozusagen die Orientierung prägt, die die Richtung und das Ziel des Glaubenslebens anzeigt. Deshalb fordert uns der Apostel Paulus auf: »Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet« (Röm 12,12). Ja, wir müssen „reich an Hoffnung“ sein (vgl. Röm 15,13), damit wir ein glaubwürdiges und attraktives Zeugnis für den Glauben und die Liebe ablegen, die wir in unseren Herzen tragen; damit der Glaube freudig und die Liebe leidenschaftlich ist; damit jeder in der Lage ist, auch nur ein Lächeln, eine Geste der Freundschaft, einen geschwisterlichen Blick, ein aufrichtiges Zuhören, einen kostenlosen Dienst zu schenken, in dem Wissen, dass dies im Geist Jesu für diejenigen, die es empfangen, zu einem fruchtbaren Samen der Hoffnung werden kann. Aber worauf gründet sich unser Hoffen? Um dies zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit den Gründen unserer Hoffnung zu befassen (vgl. 1 Petr 3,15).

19. Ich glaube an »das ewige Leben« [12]: So bekennt unser Glaube und die christliche Hoffnung findet in diesen Worten einen grundlegenden Pfeiler. Sie ist in der Tat jene »göttliche Tugend, durch die wir uns [...] nach dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen.« [13]Das Zweite Vatikanische Konzil erklärt: »Wenn dagegen das göttliche Fundament und die Hoffnung auf das ewige Leben schwinden, wird die Würde des Menschen aufs schwerste verletzt, wie sich heute oft bestätigt, und die Rätsel von Leben und Tod, Schuld und Schmerz bleiben ohne Lösung, so dass die Menschen nicht selten in Verzweiflung stürzen.« [14] Wir hingegen haben aufgrund der Hoffnung, in der wir gerettet wurden, und mit Blick auf den Lauf der Zeit die Gewissheit, dass die Geschichte der Menschheit und die eines jeden von uns nicht auf einen blinden Fleck oder einen dunklen Abgrund zuläuft, sondern auf die Begegnung mit dem Herrn der Herrlichkeit ausgerichtet ist. Leben wir also in der Erwartung seiner Wiederkunft und in der Hoffnung, für immer in ihm zu leben: In diesem Geist machen wir uns die innige Anrufung der ersten Christen zu eigen, mit der die Heilige Schrift endet: »Komm, Herr Jesus!« (Offb 22,20).

20. Der gestorbene und auferstandene Jesus ist die Mitte unseres Glaubens. Indem der heilige Paulus diesen Inhalt in wenigen Worten und mit nur vier Verben ausdrückt, vermittelt er uns den „Kern“ unserer Hoffnung: »Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf« (1 Kor 15,3-5). Christus ist gestorben, begraben worden, auferstanden und erschienen. Er ist für uns durch das Dunkel des Todes gegangen. Die Liebe des Vaters hat ihn in der Kraft des Heiligen Geistes auferweckt und zu unserem Heil sein Menschsein zur Erstlingsgabe der Ewigkeit gemacht. Die christliche Hoffnung besteht genau darin: Im Angesicht des Todes, wo scheinbar alles endet, erhalten wir die Gewissheit, dass uns dank Christus, dank seiner Gnade, die uns in der Taufe mitgeteilt worden ist, „das Leben nicht genommen, sondern gewandelt wird“ [15], und zwar für immer. In der Taufe werden wir nämlich zusammen mit Christus begraben und empfangen in ihm, dem Auferstandenen, das Geschenk eines neuen Lebens, das die Mauer des Todes niederreißt und ihn zu einem Übergang in die Ewigkeit macht.

Und wenn im Angesicht des Todes, der schmerzhaften Trennung, die dazu zwingt, sich von allem Liebgewordenen zu trennen, keine Phrasen erlaubt sind, bietet uns das Heilige Jahr die Gelegenheit, mit großer Dankbarkeit das Geschenk des neuen Lebens wiederzuentdecken, das wir in der Taufe empfangen haben und das in der Lage ist, sein Dunkel zu verwandeln. Es ist wichtig, sich im Zusammenhang mit dem Jubiläum daran zu erinnern, wie dieses Geheimnis von den ersten Jahrhunderten des Glaubens an verstanden wurde. Lange Zeit bauten die Christen zum Beispiel das Taufbecken in einer achteckigen Form, und noch heute können wir viele alte Baptisterien bewundern, die diese Form beibehalten haben, wie in Rom in Sankt Johannes im Lateran. Sie weist darauf hin, dass im Taufbrunnen der achte Tag anbricht, d.h. der Tag der Auferstehung, der Tag, der über den üblichen Wochenrhythmus hinausgeht und so den Zyklus der Zeit für die Dimension der Ewigkeit öffnet, für ein Leben, das ewig währt: Das ist das Ziel, auf das wir auf unserer irdischen Pilgerreise zustreben (vgl. Röm 6,22).

Das glaubwürdigste Zeugnis für diese Hoffnung geben uns die Märtyrer, die in ihrem festen Glauben an den auferstandenen Christus in der Lage waren, sogar auf ihr irdisches Leben zu verzichten, um ihren Herrn nicht zu verraten. Es gibt sie in allen Zeiten, und in unseren Tagen sind sie vielleicht zahlreicher denn je, als Bekenner eines Lebens, das kein Ende kennt. Wir müssen ihr Zeugnis in Ehren halten, um unsere Hoffnung fruchtbar zu machen.

Diese Märtyrer, die verschiedenen christlichen Traditionen angehören, sind auch Samen der Einheit, weil sie die Ökumene des Blutes verkörpern. Daher ist es mein sehnlicher Wunsch, dass es in diesem Heiligen Jahr auch eine ökumenische Feier geben wird, so dass der Reichtum des Zeugnisses dieser Märtyrer deutlich wird.

21. Was wird also nach dem Tod aus uns werden? Mit Jesus gibt es jenseits dieser Schwelle das ewige Leben, das in der vollen Gemeinschaft mit Gott, in der Schau und in der Teilhabe an seiner unendlichen Liebe besteht. Was wir jetzt in diesem Leben hoffen, werden wir dann in Wirklichkeit sehen. Der heilige Augustinus schrieb in diesem Zusammenhang: »Wenn ich erst einmal dir ganz anhangen werde mit meinem ganzen Ich, dann wird mich kein Schmerz, keine Mühsal mehr bedrücken, und mein Leben, ganz von dir erfüllt, wird erst dann wahres Leben sein.« [16]Was wird dann diese Fülle der Gemeinschaft kennzeichnen? Das Glücklichsein. Die Glückseligkeit ist die Berufung des Menschen, ein Ziel, das alle betrifft.

Aber was ist die Glückseligkeit? Welches Glück erwarten und ersehnen wir? Nicht eine vorübergehende Freude, eine flüchtige Befriedigung, die, einmal erreicht, immer mehr verlangt, in einer Spirale der Gier, in der die menschliche Seele nie gesättigt, sondern immer leerer wird. Wir brauchen ein Glück, das sich endgültig erfüllt in dem, womit wir uns selbst verwirklichen, nämlich in der Liebe, damit wir schon jetzt sagen können: Ich bin geliebt, also bin ich; und ich werde für immer in jener Liebe existieren, die mich nicht enttäuscht und von der mich nichts und niemand jemals wird trennen können. Erinnern wir uns noch einmal an die Worte des Apostels: »Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (Röm 8,38-39).

22. Etwas anderes, das mit dem ewigen Leben zusammenhängt, ist das Gericht Gottes, sowohl am Ende unseres Lebens als auch am Ende der Zeiten. Die Kunst hat oft versucht, dies darzustellen – man denke nur an Michelangelos Meisterwerk in der Sixtinischen Kapelle –, indem sie die theologische Vorstellung der Zeit aufgreift und dem Betrachter ein Gefühl der Furcht vermittelt. Wenn es auch richtig ist, sich mit allem Bewusstsein und allem Ernst auf den Moment vorzubereiten, der das Leben noch einmal rekapituliert, so müssen wir dies doch immer in der Hoffnung tun, der göttlichen Tugend, die das Leben stärkt und uns nicht in Angst verfallen lässt. Das Gericht Gottes, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16), kann sich nur auf die Liebe stützen, vor allem darauf, ob wir sie gegenüber den Bedürftigsten, in denen Christus, der Richter selbst, gegenwärtig ist, praktiziert haben oder nicht (vgl. Mt 25,31-46). Es ist also ein anderes Urteil als das von Menschen und irdischen Gerichten; es ist zu verstehen als eine Beziehung der Wahrheit: mit Gott, der Liebe ist, und mit sich selbst im Innern des unergründlichen Geheimnisses der göttlichen Barmherzigkeit. In der Heiligen Schrift heißt es dazu: Du hast »dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Söhnen und Töchtern die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst […] und [wir] auf Erbarmen hoffen, wenn wir selber vor dem Gericht stehen« (Weish 12,19.22). Benedikt XVI. schrieb: »Im Augenblick des Gerichts erfahren und empfangen wir dieses Übergewicht seiner Liebe über alles Böse in der Welt und in uns. Der Schmerz der Liebe wird unsere Rettung und unsere Freude«. [17]

Das Gericht betrifft also die Erlösung, auf die wir hoffen und die Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung für uns erlangt hat. Es soll uns also für die endgültige Begegnung mit ihm öffnen. Und da man in diesem Zusammenhang nicht denken kann, dass das begangene Böse verborgen bleibt, muss es gereinigt werden, um uns den endgültigen Übergang in Gottes Liebe zu ermöglichen. In diesem Sinne versteht man die Notwendigkeit, für diejenigen zu beten, die ihren irdischen Weg vollendet haben, diese Solidarität im Fürbittgebet, das seine Wirksamkeit in der Gemeinschaft der Heiligen findet, in dem gemeinsamen Band, das uns in Christus, dem Erstgeborenen der Schöpfung, vereint. So ist der Jubiläumsablass kraft des Gebets in besonderer Weise für diejenigen bestimmt, die uns vorausgegangen sind, damit ihnen die volle Barmherzigkeit zuteil wird.

23. Der Ablass lässt uns nämlich entdecken, wie grenzenlos Gottes Barmherzigkeit ist. Es ist kein Zufall, dass einst die Begriffe „Barmherzigkeit“ und „Ablass“ austauschbar waren, eben weil dieser die Fülle der Vergebung Gottes ausdrücken soll, die keine Grenzen kennt.

Das Sakrament der Buße gibt uns die Gewissheit, dass Gott unsere Sünden vergibt. Und wieder sind die Worte des Psalms voller Trost: »Der dir all deine Schuld und all deine Gebrechen heilt, der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt [...]. Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Huld. [...] Er handelt an uns nicht nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so mächtig ist seine Huld über denen, die ihn fürchten. So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er von uns unsere Frevel« (Ps 103,3-4.8.10-12). Die sakramentale Vergebung ist nicht nur eine schöne geistliche Chance, sondern ein entscheidender, wesentlicher und unverzichtbarer Schritt für den Glaubensweg eines jeden Menschen. Dort erlauben wir dem Herrn, unsere Sünden zu vernichten, unsere Herzen zu erneuern, uns wieder aufzurichten und uns zu umarmen, und uns sein zärtliches und barmherziges Gesicht zu zeigen. Es gibt in der Tat keinen besseren Weg, Gott kennenzulernen, als sich von ihm versöhnen zu lassen (vgl. 2 Kor 5,20) und seine Vergebung zu erfahren. Verzichten wir also nicht auf die Beichte, sondern entdecken wir wieder neu die Schönheit des Sakraments der Heilung und der Freude, die Schönheit der Vergebung der Sünden!

Wie wir jedoch aus eigener Erfahrung wissen, „hinterlässt die Sünde Spuren“, sie hat Folgen: nicht nur äußere, im Sinne von Folgen des begangenen Bösen, sondern auch innere, insofern als »jede Sünde, selbst eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich [zieht], was der Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium« [18]. Daher bleiben in unserem schwachen, vom Bösen verführten Menschsein „Folgen der Sünde“. Diese werden durch den Ablass beseitigt, und zwar immer durch die Gnade Christi, der, wie der heilige Paul VI. schrieb, »unser „Ablass“« ist. [19] Die Apostolische Pönitentiarie wird die Bestimmungen erlassen, die erforderlich sind, um den Jubiläumsablass zu erlangen und diese Praxis fruchtbar zu gestalten.

Eine solche intensive Erfahrung der Vergebung öffnet unweigerlich das Herz und den Verstand für die Vergebung. Das Vergeben ändert nicht die Vergangenheit, es kann nicht ändern, was bereits geschehen ist; und doch kann Vergebung es ermöglichen, die Zukunft zu verändern und anders zu leben, ohne Groll, Verbitterung und Rache. Die Zukunft, die durch Vergebung erhellt wird, erlaubt es, die Vergangenheit mit anderen, gelasseneren Augen zu sehen, auch wenn sie immer noch mit Tränen benetzt sind.

Anlässlich des letzten außerordentlichen Heiligen Jahres habe ich Missionare der Barmherzigkeit eingesetzt, die weiterhin eine wichtige Sendung haben. Sie mögen auch während des kommenden Jubeljahres ihren Dienst ausüben indem sie wieder Hoffnung schenken und jedes Mal vergeben, wenn sich ein Sünder mit offenem Herzen und reumütigem Sinn an sie wendet. Mögen sie weiterhin Werkzeuge der Versöhnung sein und helfen, mit der Hoffnung des Herzens, die aus der Barmherzigkeit des Vaters kommt, in die Zukunft zu blicken. Ich hoffe, dass die Bischöfe von ihrem wertvollen Dienst Gebrauch machen und sie vor allem an Orte schicken, an denen die Hoffnung auf eine harte Probe gestellt wird, wie z. B. in Gefängnisse, Krankenhäuser und Orte, an denen die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird, in Situationen größter Entbehrung und Erniedrigung, damit jeder die Möglichkeit hat, Gottes Vergebung und Trost zu empfangen.

24. Die höchste Zeugin der Hoffnung ist die Mutter Gottes. An ihr sehen wir, dass Hoffnung kein törichter Optimismus ist, sondern ein Geschenk der Gnade in der Wirklichkeit des Lebens. Wie jede Mutter dachte sie jedes Mal, wenn sie ihren Sohn ansah, an seine Zukunft, und sicherlich blieben ihr jene Worte im Herzen eingeprägt, die Simeon im Tempel zu ihr gesagt hatte: »Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, – und deine Seele wird ein Schwert durchdringen« (Lk 2,34-35). Und am Fuße des Kreuzes, als sie den unschuldigen Jesus leiden und sterben sah, wiederholte sie, obwohl sie unerträgliche Schmerzen litt, ihr „Ja“, ohne die Hoffnung und das Vertrauen auf den Herrn zu verlieren. Auf diese Weise wirkte sie für uns an der Erfüllung dessen mit, was ihr Sohn angekündigt hatte, nämlich dass er »vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden« muss; »er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen« (Mk 8,31). So wurde sie unter den Schmerzen, die sie aus Liebe aufopferte, zu unserer Mutter, zur Mutter der Hoffnung. Es ist kein Zufall, dass die Volksfrömmigkeit die Heilige Jungfrau auch weiterhin als Stella Maris anruft, mit einem Titel, der die sichere Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass die Mutter Gottes uns in den stürmischen Wechselfällen des Lebens zu Hilfe kommt, uns stärkt und uns einlädt, zu vertrauen und weiter zu hoffen.

In diesem Zusammenhang möchte ich gern daran erinnern, dass das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko-Stadt sich darauf vorbereitet, im Jahr 2031 den 500. Jahrestag der ersten Erscheinung der Jungfrau zu feiern. Durch den jungen Juan Diego sandte die Mutter Gottes eine revolutionäre Botschaft der Hoffnung, die sie auch heute noch an alle Pilger und Gläubigen richtet: »Bin ich nicht hier, die ich deine Mutter bin?«. [20] Von ähnlichen Botschaften sind die vielen marianischen Heiligtümer auf der ganzen Welt geprägt, die Ziel vieler Pilger sind, welche der Mutter Gottes ihre Sorgen, ihren Kummer und ihre Wünsche anvertrauen. Mögen die Wallfahrtsorte in diesem Jubiläumsjahr heilige Orte der Gastfreundschaft und besondere Orte der Hoffnung sein. Ich lade die Pilger, die nach Rom kommen, ein, in den Marienheiligtümern der Stadt innezuhalten, um die Jungfrau Maria zu verehren und ihren Schutz zu erflehen. Ich bin zuversichtlich, dass alle, vor allem die Leidenden und Bedrängten, die Nähe der liebevollsten aller Mütter erfahren können, die ihre Kinder niemals verlässt, die für das heilige Volk Gottes ein »Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes« ist. [21]

25. Auf dem Weg zum Heiligen Jahr wenden wir uns wieder der Heiligen Schrift zu und hören diese Worte als an uns gerichtet: So sollten wir »einen kräftigen Ansporn haben, wir, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die dargebotene Hoffnung zu ergreifen. In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als Vorläufer hineingegangen« (Hebr 6,18-20). Das ist eine starke Einladung, die Hoffnung, die uns geschenkt wurde, niemals zu verlieren, sondern an ihr festzuhalten, indem wir Zuflucht bei Gott finden.

Das Bild des Ankers verweist auf die Stabilität und Sicherheit, die uns inmitten der unruhigen Gewässer des Lebens gegeben ist, wenn wir auf Jesus, den Herrn, vertrauen. Die Unwetter werden uns niemals etwas anhaben können, denn wir sind verankert in der Hoffnung auf die Gnade, die uns zu einem Leben in Christus befähigt und uns Sünde, Angst und Tod überwinden lässt. Diese Hoffnung, die weitaus größer ist als die alltäglichen Genugtuungen und Verbesserungen der Lebensumstände, lässt uns über die Prüfungen hinauswachsen und ermutigt uns, weiterzugehen, ohne die Größe des Ziels aus den Augen zu verlieren, zu dem wir berufen sind: den Himmel.

Das kommende Heilige Jahr wird also von der Hoffnung geprägt sein, die nicht schwindet, der Hoffnung auf Gott. Es helfe uns, das nötige Vertrauen wiederzufinden, in der Kirche wie in der Gesellschaft, in den zwischenmenschlichen Beziehungen, in den internationalen Beziehungen, in der Förderung der Würde eines jeden Menschen und in der Achtung der Schöpfung. Möge unser gläubiges Zeugnis in der Welt ein Sauerteig echter Hoffnung sein, die Verkündigung eines neuen Himmels und einer neuen Erde (vgl. 2 Petr 3,13), in der wir in Gerechtigkeit und Eintracht zwischen den Völkern leben können und die Erfüllung der Verheißung des Herrn erwarten.

Lassen wir uns fortan von der Hoffnung anziehen und lassen wir zu, dass sie durch uns auf jene überspringt, die sich nach ihr sehnen. Möge unser Leben ihnen sagen: »Hoffe auf den Herrn, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den Herrn!« (Ps 27,14). Möge die Kraft der Hoffnung unsere Gegenwart erfüllen, während wir zuversichtlich auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus warten, dem jetzt und in aller Zukunft Lob und Herrlichkeit gebührt.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Johannes im Lateran, am 9. Mai, dem Hochfest der Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, im Jahr 2024, dem zwölften meines Pontifikats.

FRANZISKUS

 

[1]  Sermones, 198 augm., 2.

[2] Vgl. Fontes Franciscani, Nr. 263, 6.10.

[3] Vgl. Misericordiae vultus, Verkündigungsbulle des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit, Nr. 1-3.

[4] Pastorale Konstitution Gaudium et spes, Nr. 4.

[5] Enzyklika Laudato si’, Nr. 50.

[6] Vgl.  Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2267.

[7] Enzyklika Laudato si’, Nr. 49.

[8] Enzyklika Fratelli tutti, Nr. 262.

[9] Enzyklika Laudato si’, Nr. 51.

[10]  Nizänisches Glaubensbekenntnis: H. Denzinger – A. Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Nr. 125.

[11]  Ebd.

[12]  Apostolisches Glaubensbekenntnis: H. Denzinger – A. Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Nr. 30.

[13]  Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1817.

[14] Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 21.

[15] Vgl. Römisches Messbuch, Präfation von den Verstorbenen I.

[16] Bekenntnisse, X, 28.

[17] Enzyklika Spe salvi, Nr. 47.

[18]  Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1472.

[19] Apostolisches Schreiben Apostolorum limina, 23. Mai 1974, II.

[20]  Nican Mopohua, Nr. 119.

[21] Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 68.


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