
18. Dezember 2025 in Kommentar
Die Präfektin des Ordensdikasteriums ist ein Dementi des II. Vatikanischen Konzils. Was wird zukünftig noch gelten in der Kirche? Ein Gastkommentar von Martin Grichting
Chur (kath.net)
Seit Jahren lässt der Apostolische Stuhl die ganze Kirche ad nauseam über Synodalität debattieren. Während dieser Zeit ist jedoch ohne synodale Beratung vom früheren Papst eine Entscheidung getroffen worden, die das sakramentale Wesen der Kirche aus den Angeln hebt: Am 13. Dezember 2024 wurde die Ordensfrau Simona Brambilla, die wesensgemäss die Priesterweihe nicht empfangen kann, zur «Präfektin» des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des Apostolischen Lebens ernannt. Seither übt sie als Laie «sacra potestas» (potestas ordinaria vicaria) über Zehntausende von Ordensklerikern aus.
Das II. Vatikanische Konzil – die Höchstform von Synodalität – hatte demgegenüber gelehrt, dass das Sakrament der Weihe das Amt der Leitung übertrage. Das Recht kann nur die konkrete Form der Ausübung der Leitungsvollmacht näher regeln. Papst Paul VI. hat deshalb in der «Nota explicativa praevia» präzisiert: «In der Weihe wird die seinsmässige Teilnahme an den heiligen Ämtern verliehen, wie unbestreitbar aus der Überlieferung, auch der liturgischen, feststeht». Ohne diese seinsmässige Teilhabe durch das Weihesakrament kann es auch keine genauere rechtliche Festlegung der Leitungsvollmacht geben.
Mit anderen Worten: In Zeiten der angeblichen Synodalität hat der frühere Papst unsynodal mit einem Federstrich das II. Vatikanische Konzil verworfen in einer zentralen dogmatischen Frage, die das Wesen der Kirche sowie eines der sieben Sakramente betrifft. Und die betreffende Präfektin ist auch ein Jahr nach diesem Bruch mit dem Konzil immer noch im Amt.
Dieses Vorgehen hat gravierende Konsequenzen:
Wenn dass II. Vatikanum betreffend eine fundamentale dogmatische Frage nur bis auf Widerruf gilt, dann ist alles andere auch entwertet, was dieses Konzil gesagt hat. Vieles davon hat bekanntlich einen tieferen Verpflichtungscharakter. Die disziplinären Festlegungen etwa betreffend die Liturgie braucht man dann erst recht nicht mehr für bare Münze zu nehmen. Und die Aussagen über die Religionsfreiheit – noch eine Stufe tiefer – betreffen bloss die kirchliche Soziallehre. Was sind solche Äusserungen noch wert? Auf der anderen Seite würde es neue Gesprächsperspektiven mit der Priesterbruderschaft S. Pius X. eröffnen, wenn betreffend «Sacrosanctum Concilium» und «Dignitatis Humanae» nachträglich ebenfalls erklärt würde, es handle sich dabei bloss um unverbindliche Meinungsäusserungen, die jederzeit widerrufen werden können.
Joseph Ratzinger hat in „Demokratie in der Kirche. Möglichkeiten und Grenzen“ aus dem Jahr 1970 betont, dass die Trennung von Hirten- und Leitungsvollmacht «sachlich schlechterdings unzulässig» sei. Denn dadurch werde das Sakrament «ins Magische», die kirchliche Jurisdiktion «ins Profane» abgedrängt: «Das Sakrament wird nur mehr rituell und nicht als Auftrag zur Leitung der Kirche durch Wort und Liturgie gefasst; das Leiten umgekehrt wird als ein rein politisch-administratives Geschäft gesehen ‒ weil man offenbar die Kirche selbst nur für ein politisches Instrument hält. In Wahrheit ist das Vorsteheramt in der Kirche ein unteilbarer Dienst» (zitiert nach der Topos-Ausgabe Limburg-Kevelaer 2000, S. 31f). Wenn auch Papst Leo XIV. definitiv das II. Vatikanische Konzil in dieser Kernfrage des Glaubens verwirft, ist die Frage des Priestertums der Frau wirklich definitiv gelöst. Es wird zwar auch in Zukunft keine Frauen als Priesterinnen geben. Aber das Thema wird zur Nebensache. Denn Leiten kann man in der Kirche auch ohne Weihe, die «Präfektin» ist der schlagende Beweis. Das Weihesakrament ist nicht mehr die seinsmässige Grundlage für das Leiten, sondern nur ein fakultatives Beiwerk. Es ist ein akzidentieller magischer Zusatz, «nice to have», aber nicht mehr zwingend erforderlich. Auch so kann man Probleme lösen. Es geschieht allerdings auf Kosten der Glaubenssubstanz, die sich hinter rechtlichen Sophismen auflöst.
Wenn das II. Vatikanische Konzil betreffend das Weihesakrament nicht mehr gilt, kann es zukünftig, dem Beispiel des Papstes folgend, Laien auf allen Stufen der Leitung geben: Laien können Pfarrer sein und einen sakramentalen Assistenten beschäftigen, der ihnen einmal im Monat den Tabernakel auffüllt. Laien können, wie es missbräuchlich im Feudalismus des Mittelalters der Fall war, auch Bischöfe und Generalvikare sein. Denn wenn in Rom eine Präfektin Mönche von ihren Gelübden dispensieren kann, kann auch ein Laienbischof Pfarrer ernennen. Die päpstliche Ernennung reicht für beides aus. Zum Firmen verfügt der zukünftige Laienbischof wie der adlige deutsche Laien-Fürstbischof des 16. Jahrhunderts über einen Weihbischof. Und falls es in diesem Bistum noch Männer gibt, die als Sakramentalassistenten wirken möchten, kann der Weihbischof diese rituell ermächtigen.
Die Kirche wird dann wie jeder andere Konzern durch rechtliche Instrumente wie die Ernennung und die Abberufung organisiert. Sie wird dadurch verweltlicht und profaniert. Die Frage ist dann bloss, was genau das noch mit Gott und Gnade zu tun hat. Vielleicht sollte man dann auch amtlich präzisieren, dass Jesus Christus die Apostel nicht erwählt und gesandt, sondern ernannt hat.
Im Fall des aktuellen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre geht es um die Frage der intellektuellen und sittlichen Eignung einer Person. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine konkrete Person, sondern um eine zentrale Frage des Glaubens. Die Gläubigen haben jetzt das Recht zu erfahren, ob das II. Vatikanische Konzil in seinen dogmatischen Festlegungen noch gilt oder nicht. Davon hängt die Einheit der Kirche ab.
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