Benediktiner in Solignac: Erfolgreiche Wiederbelebung monastischen Lebens im französischen Limousin

2. September 2025 in Spirituelles


In Frankreich ist seit Jahren zu beobachten, dass die Messe nach dem Ritus von 1962 und 1965 mehr und mehr begeisterte Gläubige gefangen nimmt, gerade Jugendliche, die ja nicht im vorkonziliaren Ritus erzogen sind. Von Lothar Christian Rilinger


Solignac (kath.net) Als am 14. Juli 1789 in Frankreich durch die Große Revolution ein neues Zeitalter anbrach und sich die ältestes Tochter Roms von Gott abwandte, verabschiedete sich dieses Land gewaltsam von seiner kulturellen und geistigen, aber auch religiösen Tradition. Diese wurde als verwerflich verurteilt, als eine, die vom Adel und vom Klerus missbraucht worden sei, um Macht ausüben zu können. Die Macht des Adels und der Geistlichkeit sollte gebrochen werden. 200.000 Gegner der Revolution ließen ihr Leben. Frankreich wurde – wie später China – zum „Land der rollenden Köpfe“. Die Raserei des Volkes und ihrer Anführer gab sich nicht damit zufrieden, Personen zu enthaupten, selbst die steinernen Heiligenfiguren wurden geschändet. Stellvertretend für die lebendigen Vertreter der Kirche wurden sie symbolisch enthauptet, um die Verachtung der Kirche und der Religion aufzeigen zu können. Die Figuren konnte der Mob zwar zerstören, die Kirchen allerdings nicht. Deshalb wurden sie konfisziert – entschädigungslos selbstverständlich. 

Dieses Schicksal traf auch 1790 die Benediktiner-Abtei St. Pierre et St. Paul in Solignac südlich von Limoges im französischen Limousin. Die atheistischen Horden verjagten die letzten dort lebenden vierzehn Mönche, und damit endete ein monastisches Leben, das immerhin über eintausend Jahre gewährt hat.

Gegründet wurde die Abtei schon im Jahr 632 durch den Hl. Eloi, der aus Chaptelat in der Nähe von Limoges stammte. Er konnte über 150 Mönche um sich versammeln, die sich der Ordensregel des Hl. Benedikt von Nursia unterwarfen und ihr monastisches Leben nach den Prinzipien des ora et labora, des Betens und Arbeitens, ausrichteten. Allerdings wurde dieses Leben im VIII. Jahrhundert von den Sarazenen und den Normannen durch die Zerstörung der Gebäude unterbrochen. Im X. und XI. Jahrhundert konnten die Kirche und das Kloster wieder aufgebaut und mit neuem Leben erfüllt werden. In dieser Zeit galt Solignac als eine der wohlhabendsten und bedeutendsten Abteien Frankreichs. 

Die Via Lemovicensis, der Pilgerweg nach Santiago de Compostela, gewann im XI. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Dieser Weg führt auch durch Solignac, so dass die Abtei viele Pilger beherbergen konnte, wodurch sich die finanzielle Lage äußerst günstig entwickelte. Durch diese Einnahmen war es der Abtei ermöglicht, Anfang des XII. Jahrhunderts den Bau einer sehr großzügig dimensionierten Kirche, einschließlich der Klostergebäude, in Auftrag zu geben. Auch wenn diese Gebäude während des Hundertjährigen Krieges, aber auch in dem Religionskrieg gegen die Hugenotten beschädigt worden sind, konnten sie die Zeitläufte überstehen, nur die Konventsgebäude wurden Anfang des XVIII. Jahrhunderts erneuert.

Doch das monastische Leben endete abrupt im Zuge der atheistischen Französischen Revolution von 1789. Das kontemplative benediktinische Leben im Limousin erlosch und mit ihm auch das religiöse Leben der Bevölkerung. Gott wurde von der Bevölkerung verbannt; die Kirchen – viele aus der Romanik – verwaisten, Staub und Schimmel ergriffen Besitz von ihnen. Sie, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, fielen dem Vergessen anheim und wurden dem Verfall überantwortet. 

Die Abteigebäude in Solignac dienten als Gefängnis, als Mädcheninternat und später als Porzellanfabrik. Während des Zweiten Weltkrieges suchten dort katholische Lehrer Schutz vor Verfolgungen. Doch 1945 wurde es wieder religiösen Zwecken zugeführt. Die Missionsoblaten der Unbefleckten Maria (Oblats de Marie Immaculée, OMI) erwarben die Gebäude, doch mussten sie das religiöse Leben wieder aufgeben. 17 Jahre standen die Gebäude leer, bis der Bischof von Limoges, Monsignore Jean Pierre Bozo, auf der Suche nach einem Standort für den Neubeginn monastischen Lebens auf diese Abtei stieß. Er wollte das benediktinische Leben in seiner Diözese wieder beleben – er wollte, „dass dieser schöne Ort [in Solignac] nicht seine religiöse Bestimmung verliert,“ wie er uns schrieb. Er kam mit der benediktinischen Gemeinschaft der L´Abbaye Saint Joseph de Clairval de Flavigny sur Ozerain ins Gespräch. Diese wünschte, „ein Priorat zu gründen, weil ihre Gebäude voll waren. Es fehlte Platz für die Novizen und ebenfalls für die in den Ruhestand getretenen Mönche.“ Die Interessen dieser Abtei und die des Bischofs von Limoges deckten sich und dadurch war sichergestellt, dass Mönche das neu einzurichtende Kloster beleben könnten.

Doch die geplante Neugründung der Abtei stieß auf heftigen Widerstand der Bevölkerung der Region um Solignac. 230 Jahre war das benediktinische Leben im Limousin erloschen, eine lange Zeit, in der sich der Atheismus und der Laizismus in den Köpfen der Bewohner festgesetzt hatte. Ein Leben ohne Religion wurde als erstrebenswert erachtet, es wurde als der Fortschritt der Revolution empfunden. Die Bevölkerung wollte nicht mehr an die vorrevolutionäre Zeit erinnert werden, an die Jahrhunderte, in denen auch die Kirche das Leben bestimmte, und wollte sich nicht mehr von ihr gängeln lassen. Die Neugründung der Abtei war für sie ein Verrat an den Errungenschaften der Revolution und an der französischen Zivilisation, ja, wie eine sträfliche Missachtung der strikten Trennung von Staat und Kirche. Die Kirchengebäude wurden zwar zwangsweise toleriert, die Kathedralen und die vielen, meistens romanischen Kirchen im Limousin haben schließlich einen musealen Wert, doch eine Erneuerung des religiösen Lebens wurde von weiten Teilen der Bevölkerung vehement abgelehnt, die Religion wurde nur im privaten Bereich toleriert, nicht aber in der Öffentlichkeit.

Doch der Widerstand konnte überwunden werden. Für Bischof Bozo ist es eine große Freude, „dass das männliche monastische Leben, das im Limousin seit der Französischen Revolution verschwunden war, wieder aufleben konnte“, schließlich sei dieser Ort für diese Art des kontemplativen Lebens gedacht. Die elf Mönche, die 2021 in das Kloster eingezogen sind, „können dort ein Leben führen, das durch die Aufteilung zwischen den Stundengebeten und der Arbeit der Verherrlichung Gottes bestimmt ist“, wie uns Bischof Bozo versicherte. Die Wiederbegründung monastischen Lebens wurde durch ein feierliches Pontifikalamt gefeiert. Viele hundert Gläubige reisten aus nah und fern an, um den Neubeginn benediktinischen Lebens im Limousin zu feiern. Über sechshundert Personen nahmen an dieser Zeremonie teil. Sie wollten Zeuge des Momentes sein, in dem das vorrevolutionäre Glaubensleben wieder aufgenommen und die uralte religiöse Tradition nicht nur wieder aufleben, sondern weiter fortgeführt werden konnte. Die Kirche sei überfüllt gewesen, sogar auf den Galerien hätten die Gläubigen diesem historischen Moment beigewohnt, wie uns Zeugen der damaligen Zeremonie berichteten. Auch wenn sie nicht das Gefühl gehabt hätten, dass die Ergebnisse der atheistischen Revolution zur historischen Randnotiz degradiert worden wären, wie behauptet worden sei – sie hätten sich aber nicht des Eindrucks erwehren können, dass dieser Moment einen tiefen Einschnitt in der Geschichte dargestellt habe. Das neue monastische Leben hätten die Gläubigen als einen vielversprechenden Anfang des nachrevolutionären Glaubenslebens empfunden, als einen weiteren Schritt hin zur Rechristianisierung Frankreichs. Selbst das Fernsehen war sich des einschneidenden Schrittes bewusst, dieser geschichtlichen Kehrtwende, und hat ein Team entsandt, um über dieses Ereignis zu berichten. Doch der Bericht entsetzte und enttäuschte die Gläubigen zugleich. Vor der Kirche hatten sich rund zwanzig Personen eingefunden, die lautstark gegen die Wiedereinrichtung klösterlichen Lebens protestierten, indem sie – wenig intellektuell – mit Löffeln auf Metalltöpfe trommelten und ihren Hass auf die Kirche den vielen Hundert Gläubigen entgegenschleudern wollten. Über diesen Protest wurde ausführlich berichtet, über diese antikirchliche Demonstration, kaum über die Messe, so dass frankreichweit der Eindruck insinuiert worden sei, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Neukonstituierung des Klosters eingestellt sei und dass sie nicht bereit sei, Errungenschaften der Revolution zurücknehmen zu lassen. Dass aber über sechshundert Gläubige in der Kirche begeistert die Wiedereinrichtung mit einer feierlichen Messe gefeiert hätten, sei verschwiegen worden, wie uns damalige Messbesucher berichtet haben. Die atheistischen Laizisten haben nicht davor zurückgescheut, die tatsächliche, der Kirche sehr günstige Lage totzuschweigen und die Sache des kirchenfernen Laizismus zu unterstützen. Juristisch lag hier ein bewusst unwahrer Vortrag vor, der aber seine Rechtfertigung dadurch erfahren sollte, dass die Errungenschaften der Revolution als sakrosankt angesehen werden müssen, um die historische Rezeption der Entchristlichung im Sinne des Laizismus nicht zu gefährden. Der Bericht über den Widerstand gegen die Neukonstitution sollte den Fernsehzuschauern vorgaukeln, dass die Bevölkerung mehrheitlich gegen das Kloster eingestellt sei – was aber nicht der Fall war, wie die Anzahl der Messbesucher anschaulich beweist. Der Kampf gegen die Kirche nimmt zuweilen groteske Züge an. Und: Der Zweck soll wohl jedes Mittel als gerechtfertigt ansehen – es soll in erster Linie auf den Erfolg des Negierens ankommen. Nur dieser zählt, nicht die Mittel. Im Kampf gegen die Kirche scheint den Atheisten wohl jedes Mittel recht zu sein. Die Majestät des Rechts werde nicht mehr akzeptiert – das Recht müsse offensichtlich der Politik unterworfen werden, müsse die Magd der Politik sein, wie wir von den enttäuschten gläubigen Zeugen hörten, was uns natürlich an autokratische und diktatorische Staatssysteme erinnert. 

Als wir an der Karfreitagszeremonie teilnahmen, erklangen die gregorianischen Gesänge und die lateinischen Gebete in dem riesenhaften Kirchenschiff, inbrünstig und demütig zugleich, und zeugten von dem Willen, die Spiritualität wieder der Welt zu schenken – den Weg zur Herrlichkeit Gottes. Die Mönche beteten in lateinischer Sprache, in der nach wie vor offiziellen Sprache der römisch-katholischen Kirche, und reihten sich dadurch auch sprachlich in die weltweite Gemeinschaft der Katholiken ein, schließlich wird die Kirche Roms auch als die lateinische Kirche bezeichnet. Nur wenige Gläubige feierten gemeinsam die Messe mit den Gläubigen, schließlich gilt der Karfreitag in Frankreich nicht als Feiertag. Er ist ein normaler Arbeitstag, der es der arbeitenden Bevölkerung kaum ermöglicht, einer Messe beizuwohnen. Selbst der Ostersonntagvormittag ist für die Mitarbeiter von Supermärkten ein normaler Arbeitstag, an dem sogenannte „Sitzhasen“ aus Schokolade verkauft werden können – eine neue atheistische Wortschöpfung, um den Begriff „Osterhase“, der ja an das Christentum erinnert, zu vermeiden. Allerdings ist der Ostermontag arbeitsfrei und die Geschäfte sind geschlossen, was ja nur durch den Rekurs auf den auferstandenen Herrn zu begründen wäre, was aber geflissentlich unterlassen wird.

Auch wenn ich mich viele Jahre mit dem Erlernen der lateinischen Sprache, allerdings wenig erfolgreich, gequält habe, verstehen konnte ich die mir fremden Gebete nicht. Doch ein anderer Gottesdienstbesucher reichte uns ein zweisprachiges Gebetbuch, so dass meine Frau wenigstens die französische Übersetzung lesen konnte. Allein der Klang der lateinischen Worte, der mir ja aus meiner Jugend so vertraut ist, reichte aus, um uns in eine Gemeinschaft hineinzuziehen, die die dann doch engen Grenzen des sehr weiten Kirchenraumes sprengte und uns eine Katholizität spüren ließ, die den Sinn des Katholizismus, ja, des Christentums ausmacht. 

In der Karfreitagsmesse wird aus Respekt vor dem gewaltsamen Tod Christi auf die Wandelung verzichtet. Jegliches feierliche Moment ist aus der Liturgie verbannt. Die Kruzifixe sind mit violettfarbenen Tüchern verhängt, die Glocken schweigen, sie sind der Legende nach gen Rom geflogen, so dass die Ministranten in der vorkonziliaren Zeit mit hölzernen Klöppeln die Zeremonie akzentuierten. Obwohl der Messritus die Traurigkeit über den Tod Jesu wiedergab, jede Freude über die spätere Auferstehung Jesu vermied, barg die Messe gleichwohl eine große Feierlichkeit. Gemessenen Schrittes bewegten sich die Mönche im Chorraum, beteten gemeinsam mit verhaltener Stimme, sangen die gregorianischen Choräle, nicht triumphalistisch wie um den kommenden Sieg Gottes zu verherrlichen, sondern gedämpft, voller Traurigkeit über den Tod des Menschen Jesu. Die Gregorianik vermeidet bewusst die Koloraturen in der Melodieführung, die ja Ausdruck einer äußerlichen Freude darstellen. Die Einfachheit der Melodien, die allerdings nicht als schlicht zu bezeichnen sind, drücken vielmehr die innere Freude aus, die sich nur aus der Kontemplation, aus der Zwiesprache mit Gott, bilden kann. Deshalb sind die monastischen Messen im alten liturgischen Ritus immer etwas Besonders, etwas, was den üblichen Gottesdienst übersteigt. Die die Messe zelebrierenden Priester, aber auch die Mönche im Chor, haben kein Bedürfnis, ihre Hingabe an Gott zu verbergen. Sie zeigen offen ihre Liebe Gott gegenüber, nicht verschämt, was durch lautes Singen übertüncht werden soll. Sie können ihre Gefühle ungehemmt durch ihr Beten und Singen ausdrücken, weil sie ja in Richtung des Altares und des Tabernakels blicken, nicht in Richtung der Gläubigen. Auch wenn diese der Frömmigkeit der Mönche ansichtig sind – diese sehen nur Gott, sehen nur Jesu Christi, nur denjenigen, den sie lieben und verehren. Sie müssen nicht zwangsweise die Gemeinde sehen, nicht deren Reaktionen. Sie haben nicht das Gefühl, an einer Aufführung teilzuhaben; sie sind vielmehr in einer Welt mit Gott eingeschlossen, in der sie die Zwiesprache mit dem Herrn führen. Um dem Verdacht entgegen zu wirken, dass die nachkonziliare Gebetsrichtung versus populum den Priester an einen Moderator erinnern könnte, hat Benedikt XVI. vorgeschlagen, auf dem Altar ein Kruzifix aufzustellen, damit der Priester und die Gemeinde gemeinsam auf das Kreuz blicken. Doch trotz dieses Hilfsmittels bleibt die Konfrontation zwischen Priester und Gemeinde, so dass sich der Zelebrant nicht in seine innere Gläubigkeit zurückziehen kann, unbeobachtet von der Gemeinde. Was offensichtlich Volksnähe insinuieren sollte, ist eher eine Minderung der Hinziehung zu Gott – was zutiefst bedauerlich ist.

In Frankreich ist seit Jahren zu beobachten, dass die Messe nach dem Ritus von 1962 und 1965 mehr und mehr gegeisterte Gläubige gefangen nimmt, gerade Jugendliche, die ja nicht im vorkonziliaren Ritus erzogen sind. Viele Ordensgemeinschaften pflegen die Messe im alten römischen Messritus und bieten in ihrem Bestreben, die gesamte Liturgiegeschichte der Kirche auszuschöpfen, für viele Gläubige den Halt, den sie in der Begegnung mit Gott suchen – sich danach sehnen. Diese Rückbesinnung auf die alte Form ist eine neue Form der Evangelisierung. Sie eröffnet neue Wege zu Gott und damit auch eine Änderung und Rückbesinnung der Gesellschaft auf die eigenen Wurzeln. Das hat sich Bischof Bozo erhofft, als er sich entschlossen hat, die Abtei Solignac wieder zum neuen Leben zu erwecken.

Lothar Rilinger (siehe Link) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R., stellvertretendes Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes a.D., und Autor mehrerer Bücher.

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Fotos (c) Lothar Rilinger/Mit freundlicher Erlaubnis


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