9. August 2024 in Kommentar
Was ist der Wille Gottes? - Benedicta am Freitag - Von Linda NoƩ
Linz (kath.net)
Als Christen, die den Glauben ernstnehmen, stellen wir uns die Frage nach dem Willen Gottes und beten im „Vater unser“ ganz grundlegend: „Dein Wille geschehe!“. Es hat mich vom Anfang an fasziniert, als ich selbst Anfang Zwanzigjährig zum Glauben gefunden habe: Die Tatsache, dass Gott Willen besitzt, und nicht nur irgendeine gesichtslose, unpersonale Kraft ist, für die das Eine ebenso gut wie das Andere ist. Nun haben wir als Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, auch einen Willen, und dieser zeigt sich im Leben eines Menschen recht früh und bisweilen recht ausdrucksstark- das weiß jeder, der einmal mit Kleinkindern zu tun gehabt hat. Diesen Willen wollen wir als Menschen, die die Nachfolge Jesu ernst nehmen, gerne Seinem Willen unterstellen, und das ist nicht nur deshalb schwer, weil wir uns dazu unterordnen müssen, sondern auch deswegen, weil wir den Willen Gottes ja dazu auch erst erkennen müssen. Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, führt allerdings kein Weg daran vorbei- sowohl an der Suche, ihn zu erkennen, als auch an der Unterordnung des eigenen Willens.
Jesus selbst sagt in Johannes 6,38: „…denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Er kannte den Willen des Vaters und führte ihn aus bis zu seinem Tod am Kreuz, vor dem er bekannte: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“ (Lk 22,42)
Meine These ist: wenn wir die Frage nach Gottes Willen stellen, sind wir auch als Christen sehr oft in Gefahr, diese Fragen nicht wirklich als Christen, sondern vielmehr als Heiden, die Gott nicht kennen, zu stellen. „So Gott will…“ „Wenn es Seinem Willen entspricht….“ sagen viele Christen gerne mit dem Ausdruck passiven Erleidens und dem Anschein von: „ich habe nicht die entfernteste Ahnung, was Gott will…“ Das ist kein Glaubenszeugnis gegenüber Menschen, die Jesus nicht kennen, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Der Trappistenmönch Thomas Merton hat einmal folgende Worte gefunden: „Der Wille Gottes ist kein Schicksal, dem wir uns unterwerfen müssen, sondern ein kreativer Akt in unserem Leben, der etwas absolut Neues hervorbringt, etwas bis dahin von den Gesetzen und etablierten Mustern Unvorhersehbares. Unsere Mitarbeit besteht nicht nur in der Befolgung externer Gesetze, sondern in der Öffnung unseres Willens für diesen gemeinsamen kreativen Akt.“
Sprich: Gottes Wille für unser Leben kann nur im Kontext der Beziehung zu ihm offenbart werden, nicht wie etwa ein geheimer Plan aus einem Aktenschrank, den wir mit dem richtigen Code öffnen. Daher ist auch jedes Streben nach „Geheimwissen“ ohne die Beziehung zum Vater Esoterik und im schlimmsten Fall geradeheraus satanisch. Gebet ist auch nicht die Jagd nach einer Antwort, sondern Beziehung, die Freiheit hervorbringt und Freude schenkt. Die Freude liegt nicht in den Antworten, die Gott gibt, sondern darin, dass wir mit Ihm von Angesicht zu Angesicht sprechen können. Der Wille Gottes ist, dass wir gemeinsam mit Ihm Seinen Willen entdecken und in unserem Leben ausführen. Dabei dürfen und sollen wir auch unseren eigenen Willen vor Ihm zum Ausdruck bringen, selbst wenn er noch nicht „perfekt“ ist. Denn Er kann und wird dann unseren Willen reinigen und beschneiden, wenn wir ihn nicht vor Gott und uns selbst verschlossen halten. Es ist, so glaube ich, wirklich wichtig, dass wir das nicht überspringen. Wir dürfen wissen und spüren, was unser eigener Wille ist, bevor wir diesen Besitz Gott geben und Ihm unterordnen. Um zu beten „nicht mein Wille, sondern Deiner“ müssen wir wissen, was wir wollen. Den Willen Gottes für unser Leben herauszufinden sind wir befähigt, aus der Quelle unserer Beziehung zum Vater heraus. Durch Beziehung, nicht durch befragen, orakeln oder raten oder dem Erlangen von Geheimwissen durch andere. Um diesen Wachsen in der Beziehung, in der Intimität mit Gott gibt es kein Herumkommen, genauso wenig wie es dies in der Ehe gäbe. Investieren wir Zeit und Energie in diese Beziehung, vor allem anderen, was wir tun.
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