3. Jänner 2021 in Österreich
Wiener Dogmatiker im "Deutschlandfunk": Angesichts eines erneut aufflackernden Antisemitismus sind die Kirchen aufgerufen, "an der Seite der Juden zu stehen".
Köln/Wien (kath.net/ KAP)
Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück hat seinen Vorschlag zur Wiedereinführung des katholischen Festes "Beschneidung des Herrn" ("Circumcisio Domini") am 1. Jänner erneuert: Angesichts eines gesellschaftlich wieder aufflackernden Antisemitismus seien die Kirchen aufgerufen, "an der Seite der Juden zu stehen", sagte Tück am Freitag in einem Interview des "Deutschlandfunks": "Und in diesem Zusammenhang hat eben auch das Ritual der Beschneidung eine besondere Bedeutung."
Das Christentum sei aus dem Judentum hervorgegangen, die Beschneidung stelle bis heute einen "Identitätsmarker für Juden". Man könne darüber hinaus daran erinnern, "dass fast ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung beschnitten ist", so Tück. "Das Zeichen der Beschneidung berührt kulturelle, religiöse, medizinische und auch noch andere Aspekte."
Das Fest "Beschneidung des Herrn" wurde in der katholischen Kirche immer am 1. Jänner gefeiert - bis zur Liturgiereform von 1969. Derzeit wird am ersten Tag des neuen Jahres das Hochfest der Gottesmutter Maria begangen. Tück ist Herausgeber eines unlängst im Verlag Herder erschienenen Bandes mit Aufsätzen zu dem Thema. Ein Vorwort steuert Kurienkardinal Walter Kasper bei.
Papst für Thema offen
Tück hatte das Thema bereits vor zwei Jahren in einem Beitrag für die "Neue Zürcher Zeitung" aufgegriffen und unterstrichen, die Wiedereinführung dieses Festes wäre ein "demonstrativer Akt der Solidarität mit den Juden heute, denen in Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus auch und gerade durch Christen der Rücken zu stärken ist". Daneben wäre eine Wiedereinführung des Festes auch ein ökumenisches Signal, so Tück damals: "Die katholische Kirche würde wieder anschließen an die Praxis des Ostens und der Reformationskirchen, die das Fest der Beschneidung immer beibehalten haben."
Im Übrigen könne man davon ausgehen, dass auch Papst Franziskus dem Thema gegenüber aufgeschlossen sei: 2016 hatte Papst Franziskus bereits im Rahmen eines Besuchs der Großen Synagoge in Rom diesen Vorschlag als "eine gute Idee" bezeichnet, erinnerte Tück in der NZZ. Im "Deutschlandfunk" fügte er nun hinzu: "Man weiß von ihm [Papst Franziskus, Anm.], dass er sehr sensibel im Blick auf das Judentum ist. Insofern ist es nicht völlig unwahrscheinlich, dass er sich diesen Vorstoß auch zu eigen macht." Allerdings habe es aus der dafür zuständigen Gottesdienstkongregation bislang keine Signale gegeben. In der katholischen Kirche bräuchten Reformen erfahrungsgemäß viel Zeit. "Ich habe da jetzt keine große Ungeduld."
Copyright 2020 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten
© 2021 www.kath.net