'Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen'
15. April 2020 in Spirituelles
Notlösung der Fernsehmessen kann kein Ersatz sein für uns körperliche Gegenwart vor dem Angesicht Gottes . Ein Ostergruß von Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Rom (kath.net/LifesiteNews
Liebe Schwestern und Brüder!
Keiner von uns hat je ein vergleichbare Situation erlebt. Wegen der schrecklichen Corona-Epidemie ist das öffentliche Leben drastisch eingeschränkt. Aber wir können an den Sonntagen und auch jetzt in der Karwoche und an Ostern nicht mehr in der Kirche die Liturgie mitfeiern. Zwar behelfen wir uns mit Übertagungen von hl. Messen im Fernsehen.
Aber diese Notlösung kann kein Ersatz sein für uns körperliche Gegenwart vor dem Angesicht Gottes inmitten der besinnlichen aber auch freudigen Gemeinde, die in den Osterjubel der Erlösten einstimmt. Die leibliche Mitfeier der Liturgie entspricht unser sozialen Natur.
Und darum begegnet uns Gott nicht in abstrakten Gedanken, sondern sichtbar in der Welt und besonders in Jesus, der von sich sagte: "Wer mich sieht, sieht den Vater (Joh 14, 9). Der auferstandene Herr bleibt inmitten der Gläubigen gegenwärtig in dem hörbaren Wort der Predigt, den sichtbaren Zeichen der Sakramente und der erlebbaren Gemeinschaft der Kirche. Die Worte der Heiligen Schrift zeigen uns in den Zeiten des hygienischen Berührungsverbotes und der Vorschriften, weiten Abstand zu halten, was uns fehlt und was wir bald als überwunden erhoffen.
In der Urkirche war klar, was aus der Menschwerdung Gottes und der leiblichen Nähe Jesu folgte. So sagen überliefern uns die Jünger Jesu: "Was wir von Anfang an war , was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände umfasst haben vom Wort des Lebens (=Christus, das Wort, das Fleisch geworden ist) das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus. Dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen ist." (1 Joh 1, 1-4). Viele unserer Mitchristen in der Vergangenheit und Gegenwart hatten und haben nicht ( etwa: in Zeiten der Verfolgung oder anderer ungünstiger Umstände) nicht die Möglichkeit, am Leben der Gemeinden und an der Feier der Liturgie in körperlicher Präsenz teilzunehmen. Gott hat ihnen natürlich nicht die Gnade entzogen, die sie in geistiger Kommunion von ihm in reichem Maße empfangen.
Wir können jetzt zu Hause auch in der Heiligen Schrift lesen, miteinander beten, innerlich die Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erneuern, unser Verhältnis zu unsern Familienangehörigen und Freunden überdenken und womöglich auf eine bessere Basis stellen, wir können eine innere Umkehr vollziehen, unser Sünden bereuen und den Vorsatz fassen, bei nächster Gelegenheit zu beichten. Wir müssen in uns die Sehnsucht lebendig erhalten, bald wieder in der Kirche die Hl. Messe mitzufeiern und die Sakramente zu empfangen.
Ich möchte Sie alle unbekannterweise mit in mein Gebet einschließen. Wir bilden ja ein weltweite Gebetsgemeinschaft, weil wir zur "Kirche des lebendigen Gottes" (1 Tim 3, 15) gehören.
Unsere Situation ist geistlich ein wenig vergleichbar mit den Jüngern, die am Ostersonntag ängstlich noch hinter verschlossenen Türen versammelt waren Doch so wie damals tritt er in die Mitte seiner Gläubigen heute und sagt zu jedem einzelnen und zu uns allen: "Der Friede sei mit euch." Dann zeigt uns der gekreuzigte und auferstandene Herr seine durchbohrten Hände und seine von der Lanze aufgestochene Seite.
Und das möge auch heute in unseren Herzen dieselbe Reaktion auslösen wie damals bei den Jüngern, die Jesus selbst von ihren Unsicherheiten und Zweifeln befreite: "Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen." (Joh 20, 20).
Ich wünsche uns allen die Freude des Auferstandenen.
Gesegnete und Frohe Ostern!
Ihr Gerhard Cardinal Müller, Rom
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