15. Juni 2018 in Spirituelles
Emeritierter Dogmatikprofessor in "Sonntag"-Interview: Grundfrage jedes Christen muss sein, "ob und wie er das Evangelium leben soll"
Wien (kath.net/KAP/red) Der deutsche emeritierte Dogmatikprofessor Gisbert Greshake hat im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" betont, dass man in den Gemeinden "sehr wenig" von der Sorge über die notwendige Förderung von geistlichen Berufen spürt. Greshake, Jahrgang 1933, wurde 1960 zum Priester geweiht und war u.a. von 1974 bis 1985 Ordinarius an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, danach bis zu seiner Emeritierung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Die Frage, ob er sich heute nochmals weihen lassen würde, bejahte er im "Sonntag"-Interview: "Ich bin gern Priester, und ich würde diesen Weg nochmals gehen."
Die Gründe dafür, warum er Priester geworden sei, sehe er heute anders als vor mehr als 60 Jahren. "Als ich mit 20, 21 Jahren um die Entscheidung gerungen habe, ging es bei mir um die Frage: Will ich, nach meinen Möglichkeiten, ganz das Evangelium leben? Will ich mein ganzes Leben auf die Karte Gottes setzen?", sagte Greshake: "Aber aus heutiger Sicht würde ich sagen: Das ist nicht nur eine Frage eines Mannes, der Priester werden will, sondern das ist eine Grundfrage jedes Christen. Jeder hat sich zu fragen, ob und wie er das Evangelium leben soll."
Erst später habe er gesehen, dass es beim Priester-Sein nicht nur darum gehe, das Evangelium mit allen Kräften zu leben, sondern darum, "eine ganz spezifische Verantwortung in der Kirche für das Volk Gottes wahrzunehmen". Dabei sei die Bedeutung des Priesters in einem Wandlungsprozess: "Wer früher Priester wurde, der konnte sagen: Ich werde etwas, was ich jetzt schon genau absehen kann. Ich brauche nur auf meinen Pfarrer zu blicken, auf meinen Kaplan. Das kann man heute beim allerbesten Willen nicht mehr sagen."
Priester führen heute "Abrahams-Existenz"
Heute heiße Priester-Werden, "eine Abrahams-Existenz zu führen. So wie Abraham damals auf den Ruf Gottes hin aufgebrochen ist, ohne zu wissen, wohin es ging, wie der Hebräer-Brief schreibt, so ist auch heute das Priester-Werden ein Gang ins Ungewisse. Ein Gang, der in Formen, in Gestalten hineinführt, die heute noch nicht absehbar sind", so der Theologe.
Befragt zu der Sicht des Grazer Bischofs Wilhelm Krautwaschl, wonach es unter den Katholiken eine "Schweigespirale" zum Berufungsthema gebe, pflichtete Greshake bei. Allerdings müsse das Thema weiter gesehen werden: "Für mich ist ganz entscheidend, dass jeder Christ ohne Ausnahme eine Berufung von Gott her hat. Dass sich jeder sein Leben lang fragen muss: Was erwartest du, Gott, von mir? In meinem Beruf, in meiner Familie, dort, wo ich gerade stehe."
Die Frage müsse ein Thema sein, so Greshake: "Dann, so glaube ich, läge es auch näher, dass junge Christen auf die Idee kommen könnten, dass sie zu einem spezifisch geistlichen Beruf, zum Priestertum oder zum Ordensleben berufen sind. Dann würde das Thema Berufung nicht so was fast Exotisches sein, sondern das Normalste der Welt, dass einige auch ihre Berufung zum kirchlichen Dienst entdeckten."
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